Heiß
… bei Frankfurt.«
»Sieh an, ein Grieche. Sind Sie sicher?«
LaTour nickte krampfhaft, soweit es der Stiefel auf seinem Hals zuließ.
»Sie haben ja so recht, was die Diskretion betrifft, Monsieur LaTour.« Der Schwarzhaarige nahm seinen Fuß weg und half dem Buchhändler aufzustehen. »Man kann einfach nicht vorsichtig genug sein. Haben Sie vielleicht auch die genaue Adresse?«
Widerstandslos schlurfte der Buchhändler zu seinem Tisch und zog die Schublade auf, holte ein Notizbuch heraus und schlug es auf. Dann zeigte er mit dem Finger stumm auf den Eintrag. Der Schwarzhaarige beugte sich interessiert vor. »Merianstraße 45 «, murmelte er.
In diesem Augenblick holte der Fahrer ein dünnes flexibles Elektrokabel aus seiner Lederjacke, schlang es dem Antiquar um den Hals und zog unerbittlich zu. LaTour wurde von der Wucht des Angriffs fast hochgehoben. Verzweifelt versuchte er, Luft zu bekommen, seine Hände krampften sich um seinen Hals, wollten das Seil wegreißen.
Wenige Augenblicke später war alles vorbei.
Die beiden Männer setzten ihre Helme wieder auf, ließen den Rollladen vor dem Schaufenster herunter und traten aus dem Geschäft auf die Rue Perronet. Niemand beachtete sie. Nachdem sie sorgsam die Ladentür versperrt hatten, ließen sie auch davor den Rollladen herunter. Dann startete der Fahrer das Motorrad, und sie fuhren los.
Drei Kreuzungen weiter, als der Verkehr vor einer roten Ampel zum Stocken kam, hielten sie direkt über einem Kanalgitter an. Der Beifahrer ließ LaTours Schlüssel einfach fallen. Klimpernd verschwanden sie in der Tiefe der Kanalisation.
In diesem Augenblick klingelte sein Handy. Er tippte dem Fahrer auf die Schulter, der lenkte die Kawasaki rechts an den Straßenrand. Dann nahm der Beifahrer den Helm ab und das Gespräch mit einem »Ja?« an. Er lauschte, und sein Grinsen wurde immer breiter. »La Ferté-Alais, sagst du? Sollte nicht schwer zu finden sein. Wir sind im Herzen von Paris, aber vermutlich mit dem Bike schnell vor Ort. Wenn das tiefste französische Provinz ist, wie du sagst, dann werden sie uns nicht entwischen. Und nachdem wir da aufgeräumt haben, steht Frankfurt auf dem Programm. Wir haben LaTour überreden können, uns den Namen des Käufers zu verraten. Details später!«
Der Fahrer hatte mitgehört und die Navigation der Kawasaki entsprechend programmiert. Er nickte nur stumm, dann reihte er sich geschickt in den Verkehr ein und beschleunigte auf dem Boulevard Raspail Richtung Süden.
Als man die Leiche des Antiquars Paul LaTour neun Monate später durch Zufall fand, war sie in der trockenen Luft des Ladens bereits mumifiziert.
28 . Juni 1940 , Hafen von Dakar/Französisch-Westafrika
Frank Majors lehnte an einem der schartigen, alten Poller im Hafen, einen Feldstecher in der Hand, und beobachtete aufmerksam den Horizont.
Die kleine Flotte, die im Morgendunst noch kaum zu erkennen war, kam näher und würde in etwa einer Stunde anlegen. Der Colonel sah sich um. Auch die deutschen Aasgeier waren bereits da. In dem kleinen Café mit den rostigen hellblauen Metalltischen saßen zwei junge blonde Männer und spielten Karten. Seit Hitlers Einmarsch in Frankreich wimmelte es in den Kolonien von deutschen Spionen.
Die ruhigen Tage von Alexandria waren wohl endgültig vorbei. In Dakar waren die Geheimdienste aufmarschiert, genau wie in Casablanca oder Algier.
Die Deutschen wollten Afrika.
Als Majors die Entwicklung vor wenigen Wochen erkannt hatte, war er es gewesen, der Miranda nach Alexandria zurückgeschickt hatte. Dort war sie in Sicherheit und konnte andererseits Andrew Morgan auf die Finger schauen. Einen Tag nach ihrer Abreise und dem tränenreichen Abschied war Majors in den Untergrund gegangen. Er hatte die elegante Villa inmitten von Palmen gegen ein schäbiges, stickiges Zimmer zur Untermiete eingetauscht, in dem die Kakerlaken jede Nacht Feste feierten. Aber niemand hatte ihn nach seinen Papieren gefragt, als er ein Bündel Francs auf den Tisch gelegt und das Zimmer für ein halbes Jahr im voraus bezahlt hatte.
Die Zeit in Afrika hatte ihre Spuren hinterlassen. Majors war braun gebrannt, trug eine kurze Hose, ein ehemals weißes Baumwollhemd und einen verschlissenen Panamahut, der ihn ein wenig wie einen Plantagenbesitzer aussehen ließ. An seinem Gürtel hing in einem speckigen, abgegriffenen Holster ein Webley-Revolver, seine einzige Erinnerung an die Tage in England.
Die Zeiten wurden mit jedem Tag unsicherer in den
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