Heiß
glühender Verehrer von Lawrence of Arabia sei. Von da an war die Zusammenarbeit noch intensiver und erfolgreicher verlaufen. Majors hatte Cannotier ins Vertrauen gezogen, ihm seine gesammelten Aufzeichnungen über T.E. Lawrence zur Verfügung gestellt – die »verschwundenen« Seiten des Manuskripts und der Tagebücher, die Fotos und Untersuchungsergebnisse, alles geheimdienstliche Material, das er über mehr als siebzehn Jahre lang gesammelt hatte.
Cannotier las, folgerte brillant und blitzschnell, legte den Finger auf die richtigen Stellen und spürte zielsicher die weißen Flecken in den Tagebüchern von Lawrence auf.
Wichtiger noch, er füllte sie.
Sein Wissen über die Kultur der Stämme und die Geographie Westafrikas waren unschätzbar wertvoll. Seine Kontakte zu den Einheimischen waren unbezahlbar. Nur eines hatte ihn genauso ratlos grübeln lassen wie Majors – Lawrence‘ Reise in den Hindukusch. Darauf hatten beide keine Antwort gefunden.
Ein Geräusch holte den Colonel in die Gegenwart zurück: In den Seitenstraßen waren Lkws zu hören, die näher kamen und schließlich vor der Hafenkommandantur anhielten und an den Kais Aufstellung nahmen. Männer sprangen von der Ladefläche, und die Zahl der Soldaten vergrößerte sich von Minute zu Minute. Majors tat so, als würde er sie nicht bemerken und beobachtete unbeirrt durch das Fernglas die näher kommenden Schiffe.
Plötzlich hörte er eine Fahrradklingel und drehte sich um. Cannotier sprang von einem alten Armeefahrrad und lehnte es an den Poller.
»Colonel! Wo hätte ich Sie auch sonst finden sollen als hier im Hafen, im Brennpunkt des Geschehens.« Der junge Mann lächelte und deutete mit dem Kopf auf das Meer. »Schon etwas zu sehen?«
»Sie werden in weniger als einer Stunde einlaufen«, informierte ihn Majors und warf einen demonstrativen Blick in die Runde. »Wenn man sich so umsieht, dann könnte man annehmen, dass jeder verfügbare Soldat in den Hafen abkommandiert wurde.«
»Ist auch so«, meinte Cannotier lakonisch. »Mein Vater sagte, das Gros der Soldaten sei im Hafen, ein kleiner Rest sichere den Bahnhof. Ein Truppenaufmarsch, wie ihn die Kolonie noch nie gesehen hat. Vielleicht wollen sie die Fracht tatsächlich weiter ins Landesinnere bringen. Aus Sicherheitsgründen.«
Majors setzte das Fernglas nicht ab. »Würdest du es so machen?«
»Hmm … Ich glaube, ich würde erst einmal ein gut bewachtes Lager hier in Dakar suchen. Jeder Kilometer mehr ist mit einem enormen Risiko verbunden«, gab Cannotier zu bedenken. »Außerdem lockt ein Transport noch mehr gierige Schmeißfliegen an.«
Der Colonel musste grinsen. »Du meinst die deutschen Agenten, die bereits mit den Füßen scharren und im Geiste einen Orden nach dem anderen auf ihre Aufschläge gepinnt sehen? Noch ist es nicht so weit.«
»Und am Ende werden die doch bekommen, was sie wollen«, erwiderte Cannotier düster. »Egal wie sehr sich die Verantwortlichen anstrengen. Hitler wird nicht eher ruhen.«
Eine Stunde später machten die drei französischen Schiffe im Hafen von Dakar fest. Kapitän Moevus atmete auf, als die letzten Leinen gelegt waren und er den Befehl geben konnte, die Motoren abzustellen.
»Wann laden wir aus?«, erkundigte sich der Erste Offizier und betrachtete die Hundertschaften von Soldaten, die auf den Kais auf ihr Kommando warteten.
Moevus zuckte die Schultern und wies auf den Kai. »Hoffentlich so bald wie möglich. Die 1208 Kisten werden ja bereits sehnlichst erwartet, wie man unschwer erkennen kann.«
Mit einem Mal stand der schmächtige, kleine Mann aus Lorient in seinem völlig unpassend erscheinenden, dunklen Anzug neben dem Kapitän. »Ich bitte um die Erlaubnis, an Land gehen zu dürfen«, meinte er leise. »Ich möchte mich um den Weitertransport meiner Ladung kümmern, bevor Sie mit dem Ausladen beginnen.«
Moevus nickte. »Die Gangway wird in wenigen Minuten installiert sein.« Mit einem kurzen Gruß verschwand der Mann daraufhin, lautlos wie ein Schatten.
Cannotier und Majors lehnten nebeneinander unter dem Vordach der Hafenkommandantur und ließen die drei Schiffe keinen Moment aus den Augen.
»Eigentlich unvorstellbar«, murmelte der Colonel, »nach meinen letzten Informationen transportiert allein die Victor Schoelcher mehr als siebzig Tonnen Gold der polnischen Zentralbank.«
»Nichts im Vergleich zu den beiden anderen Schiffen«, erwiderte Cannotier. »Mein Vater erhielt eine Aufstellung der Ladung vor drei
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