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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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dass es sich mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht um einen industriell gefertigten Körper handelt. Die scharfen Kanten zeugen davon, dass jemand die Pyramide aus einem größeren Stück Glas geschliffen hat, vermutlich aus einem optischen Glas ohne jeden Einschluss.«
    »Ihrer Meinung nach spricht vieles für Cannotier, der bei Siemens arbeitete?«, warf Konstantinos ein.
    »Ich habe nichts gefunden, was dagegen sprechen würde«, bestätigte ihm Siegberth. »Wer immer die Pyramide herstellte, er hatte nicht nur die richtigen Werkzeuge und den Rohstoff dafür zur Verfügung, er war außerdem ein guter und talentierter Handwerker. Unter dem Vergrößerungsglas sind leichte Rillen auf den Seitenflächen zu erkennen, ein Beweis dafür, dass die Flächen exakt zugeschliffen, aber nicht völlig auspoliert wurden. Das spricht für eine gewisse Eile in der Fertigung. Die Maße waren allerdings Absicht. Cannotier wollte die Pyramide genau so und nicht anders.«
    Der Grieche ließ seine Augen über die Resultate der geometrischen Berechnungen schweifen. »Wenn er etwas versteckte, einen verschlüsselten Hinweis oder eine Nachricht, dann also in den Abmessungen«, murmelte er. »Oder haben Sie noch etwas im Glas gefunden?«
    »Das Material an sich ist klar, ohne Einschlüsse, ohne Gravuren, ohne eingeätzte Zeichen oder Buchstaben«, ergänzte Siegberth. »Wenn Sie so wollen, dann ist es eine höchst genau hergestellte, aber ganz simple Pyramide aus Glas. Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass Cannotier eine Nachricht in der Pyramide versteckte? Nur wegen dieser Tagebucheintragung?«
    »Er schrieb: ›Sie ist mein Vermächtnis, das diesen Irrsinn überleben muss.‹ Und das kann ich nicht anders deuten«, antwortete Konstantinos. »›Wer es versteht, sie zu entschlüsseln und den Hinweisen folgt, dem offenbart sie ein geradezu unglaubliches Geheimnis.‹«
    »Das kann aber genauso gut die überbordende Phantasie eines in Ägypten und die Zeit der Pharaonen verliebten Franzosen sein, der in die alten Pyramiden mehr hineindichtete, als ihm guttat. Spinner die in allem ein Zeichen Gottes sehen oder dahinter ein unglaubliches Geheimnis vermuten, hat es zu jeder Zeit gegeben«, gab Siegberth zu bedenken. »Eine frühe Verschwörungstheorie? Außerirdische bauten die Pyramiden als Landmarken für ihre Anflüge auf die Erde? Was weiß ich! Setzen Sie lieber nicht zu viel auf diesen Cannotier und vergessen Sie nicht, dass schon Napoleon sich für die alten Ägypter begeistert hat. Es gab Jahre, da schossen in Europa plötzlich Stelen und Obelisken aus dem Boden wie die Pilze. Pyramiden als Grabmale, sogar als Weinkeller. Ägypten war in Mode.«
    Konstantinos schüttelte entschieden den Kopf. »Das glaube ich nicht. Cannotier war Ingenieur, ein rationaler Mensch, kein Träumer. Er konnte mit Zahlen und Materialien umgehen, aber ich bezweifle, dass er sehr viel Phantasie besaß. In seinem Tagebuch finden sich keine Träumereien, sondern nur Erlebnisse, scharf beobachtete Ereignisse oder Beschreibungen seiner Gefangenschaft. Im Berlin des Kriegswinters 1944 / 45 glaubte er nicht mehr daran, dem Grauen zu entkommen. Also schuf er die Pyramide.«
    »Denn Terribilis est locus iste«, setzte Siegberth nachdenklich fort. »Meinte er damit das untergehende, zerstörte und umkämpfte Berlin?«
    »Ich habe mich mit dem Satz aus dem Buch Genesis 28 : 17 beschäftigt, als ich ihn das erste Mal in den Aufzeichnungen Cannotiers gelesen hatte«, meinte der Grieche. »Der volle Wortlaut besagt: Terribilis est locus iste, hic domus Dei est, et porta coeli. Übersetzt heißt es so viel wie: Dieser Ort ist schrecklich, hier ist das Haus Gottes und das Tor zum Himmel. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie sich das auf Berlin im Jahr 1945 beziehen soll. Das war damals eher das Tor zur Hölle oder das Reich des Teufels.«
    »Also spricht einiges dafür, dass sich das Zitat auf einen anderen Ort bezieht.« Die Wissenschaftlerin war aufgestanden und ging zu dem Regal mit den Tagebüchern. »Auf das angebliche Geheimnis, von dem Cannotier berichtet?«
    Konstantinos antwortete nicht. Er war in die Resultate der Berechnungen vertieft, die Siegberth angestellt hatte. »Haben Sie mit Absicht nur sechs Stellen hinter dem Komma gerechnet?«, erkundigte er sich, ohne aufzublicken.
    »Halten Sie mich bitte nicht für senil.« Siegberth klang indigniert. »Sollte in dieser Pyramide ein geographischer Hinweis versteckt sein, dann gibt es keine

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