Heiß
weiter gibt es ein ruhiges Restaurant, wo wir ungestört sind.«
Michalski zögerte, schaute ein letztes Mal zurück zur Victor Schoelcher, gab sich einen Ruck und nickte Majors zu. »Man hat mich ziemlich rüde vom Schiff komplimentiert«, sagte er und betrachtete die Soldaten, die Zelte und die Ladeflächen der Lkws, die in den Seitenstraßen standen und deren Motorenlärm bis hierher drang. »Ich möchte jedoch um keinen Preis den Abtransport der Ladung verpassen.«
»Keine Angst, Sir, nach meinen Informationen bleiben die Kisten vorläufig da, wo sie sind. In den Laderäumen der Schiffe«, stellte Majors fest. »Wir sollten deshalb auch ein Zimmer in einem der beiden guten Hotels der Stadt für Sie buchen.«
Der Pole blickte den Colonel ein wenig misstrauisch von der Seite an, entschloss sich aber dann doch, ihn zu begleiten. Bald waren die beiden Männer zwischen den Soldaten und Zelten verschwunden.
Kapitän Moevus wurde der junge Cannotier immer sympathischer, je länger er mit ihm sprach. Als der Sohn aus offensichtlich gutem Hause die Brücke betreten hatte, den schweigsamen Passagier im Schlepptau, war Moevus angesichts seiner Ladung zuerst auf der Hut gewesen. Doch Cannotier hatte den Kapitän mit seiner offenen Art und der Einladung in das Haus seines Vaters rasch für sich gewonnen.
»Mein Vater wird außerordentlich interessiert sein, die Geschichte des Goldtransports aus erster Hand zu erfahren«, hatte Cannotier gesagt und Moevus für den Abend zu einem offiziellen Diner mit den Regierungsrepräsentanten der Kolonie eingeladen. »Außerdem wird es wohl einer gemeinsamen Entscheidung bedürfen, was mit der Fracht geschieht und wohin sie transportiert werden soll. Denn für alle Beteiligten steht außer Frage, dass die Goldreserven nicht hier im Hafenbecken von Dakar bleiben können.«
Als Moevus die Einladung erfreut angenommen und versichert hatte, sie auch den beiden anderen Kapitänen zu übermitteln, war Cannotier mit dem schmächtigen Mann im Schlepptau wieder verschwunden. Zwei Decks tiefer, nach einem aufmerksamen Blick in die Runde, hatte der schweigsame Unbekannte den jungen Franzosen beiseitegenommen.
»Ich habe Ihnen bisher weder meinen Namen noch meine Aufgabe genannt, sondern Sie nur beobachtet und Ihnen zugehört«, begann der Mann im Anzug und lehnte sich an die Reling. »Natürlich ist uns Ihr Vater seit langem ein Begriff«, fuhr er fort und strich sich mit den Fingern über seinen Schnurrbart. »Ein verlässlicher, zuverlässiger und umsichtiger Beamter, der die Lage in Französisch-Westafrika entscheidend mitgestaltet hat.«
»Und wer genau ist ›uns‹?«, erkundigte sich Cannotier neugierig.
»Der Nachrichtendienst des Heeres, kurz SR Guerre«, antwortete der Unbekannte.
»Und was genau macht der Heeresnachrichtendienst in Dakar? Er bewacht den Goldtransport?«, fragte Cannotier unbeeindruckt.
Sein Gegenüber schüttelte den Kopf und wies auf die Hundertschaft von Soldaten, die den Kai belagerten. »Das haben schon andere übernommen. Außerdem – vergebliche Liebesmüh, das Gold wird sowieso bald Hitler gehören, egal wohin wir es bringen. Daran glauben allerdings noch nicht alle. Kommt Zeit, kommt die Erkenntnis«, setzte er bitter hinzu, bevor er verstummte. Sein Blick war nachdenklich, als er Cannotier musterte. »Ich habe es im letzten Augenblick auf dieses Schiff geschafft und konnte daher keinerlei Vorbereitungen treffen. So bin ich auf die Hilfe Ihres Vaters angewiesen. Könnten Sie mir zu dem Diner heute Abend ebenfalls eine Einladung verschaffen? Das wäre die perfekte Möglichkeit, gewisse Vorkehrungen mit Ihrem Vater zu besprechen.«
Alphonse Cannotier sah den Unbekannten mit schräg gelegtem Kopf an. »Überzeugen Sie mich«, sagte er nur.
Für einen Augenblick sah es so aus, als würde der schmächtige Mann sich umdrehen und den jungen Franzosen stehen lassen, doch dann holte er ein Tuch aus der Anzugtasche, wischte sich über die Stirn und nickte. »Gut«, meinte er schließlich, »die Situation ist ungewöhnlich und verlangt nach außergewöhnlichen Maßnahmen. Ich werde Sie ins Vertrauen ziehen. Kommen Sie, spazieren wir etwas über das Deck.«
Er nahm Cannotier, der gut einen Kopf größer war, am Arm und zog ihn mit sich. »In Frankreich gab es bis vor kurzem zwei Geheimdienste – das Deuxième Bureau, gegründet 1886 und in der Dreyfus-Affäre in Misskredit geraten. Zuletzt einem sechzigjährigen Infanterieoffizier aus dem Ersten
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