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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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schließlich die Kräfte verließen und ein heller Streifen am Horizont bereits den nahenden Tag ankündigte, griff er schwer atmend in die Tasche, die er an seiner Schulter trug, und zog ein seltsam geformtes kurzes Schwert heraus.
    Die Klinge der Waffe war blutbefleckt.
    Er warf einen Blick hoch zu den Sternen, murmelte ein letztes Mal ein inbrünstiges Gebet und kniete nieder. Dann hob er mit seinen Händen eine flache Grube im Sand aus. Als er mit seinem Werk zufrieden war, nahm er den Griff der Waffe in beide Hände, richtete die Spitze des Stahls auf seine Brust und stürzte sich in die Klinge.
    In jener Nacht verschwand der Komet vom Himmel, um erst einhundertfünfzig Jahre später wieder aufzutauchen.

Chitral, nordwestliche Grenzprovinz/Pakistan
    Chief Inspector Shabbir Salam hatte miserabel geschlafen.
    Als sich der Radiowecker um halb sechs einschaltete und eine Popsängerin ihren neuesten Hit in den anbrechenden Morgen nuschelte, begleitet von synthetischen Fanfaren und einer Bande von halbwüchsigen Chorknaben, kam es Salam vor, als sei er erst vor fünf Minuten eingeschlafen. Dabei war er den Großteil der Nacht unruhig auf und ab gegangen, hatte sich ans Fenster gesetzt, in die Nacht gestarrt und war schließlich wieder ins Bett zurückgekehrt.
    Um wenige Minuten später wieder aufzustehen – und den Kreislauf von neuem zu beginnen.
    Der Chief Inspector beneidete seine Frau, die vor zehn Tagen nach Lahore in den Süden gefahren war, um ihre Schwester zu besuchen. Während er noch schwankte, ob er einen starken Kaffee oder doch lieber einen Tee aufsetzen sollte, läutete sein Telefon.
    »Ja«, meldete sich Salam knurrig und öffnete hoffnungsvoll die Kaffeedose.
    »Habe ich Sie aufgeweckt, Chief?« Die Stimme seiner Sekretärin Kala klang unsicher. »Wenn ja, dann tut es mir leid.«
    »Ach was, halb so schlimm. Was machen Sie um diese Stunde schon auf den Beinen? Ist heute nicht ihr freier Tag?«
    »Ich bin gestern nicht mehr zum Sichten der Bewerbungsunterlagen gekommen, also wollte ich es heute vor Ihrem Dienstbeginn machen«, erklärte Kala, und Salam hatte den Eindruck, sie würde sich als nächstes für ihren Eifer entschuldigen.
    »Dafür bekommen Sie nicht genug bezahlt«, brummte er und goss den Kaffee auf. »Wenn in dieser Provinz alle Ihre Arbeitsauffassung hätten, könnte ich frühzeitig in Pension gehen.«
    Salam hörte Kala leise lachen. Dann wurde sie wieder ernst. »Soeben hat jemand von der Civil Aviation Authority angerufen, der sich geweigert hat, seinen Namen zu nennen. Er wollte Sie dringend sprechen, und ich habe ihm ausnahmsweise Ihre Mobiltelefonnummer gegeben. Er klang etwas … gehetzt. Ich hoffe –«
    »Das war eine gute Idee, Kala«, beruhigte sie Salam. »Um diese Zeit hängt jemand in Karatschi am Telefon? Und klingt noch dazu gehetzt, sagen Sie? Dann war es nicht der kaltschnäuzige Leiter der Behörde, der mir gestern nicht einmal sein ›Kein Kommentar‹ schriftlich geben wollte. Der liegt um diese Zeit sicher noch im Bett und überlegt, was er mit seinen neugewonnenen Geheimdienstverbindungen anfangen soll und welchen seiner Söhne er die Karriereleiter hinaufschieben wird, während er irgendeinem General in den Arsch kriecht. Verzeihen Sie, Kala, und vielen Dank, aber jetzt gehen Sie nach Hause, sonst bekomme ich noch ein schlechtes Gewissen. Was soll Ihr Vater von mir denken? Die Bewerbungen können Sie auch morgen sortieren.«
    Kalas Vater war der Leiter der lokalen Filiale der Allied Bank Limited, eine integre Respektsperson, die Salam nie ohne Anzug und Krawatte angetroffen hatte, solange er sich erinnern konnte.
    Der Chief hatte sich die erste Tasse Kaffee eingegossen und genoss den Duft, der durch die kleine Wohnung zog. Dann rührte er Zucker in die schwarze Flüssigkeit und schnupperte erwartungsvoll, als sein Handy klingelte. Auf dem Display stand das übliche »Unbekannt«, aber Salam hatte nichts anderes erwartet. Er nahm das Gespräch an.
    »Ja?«, meldete sich der Inspektor und wartete.
    »Chief Salam?«, fragte eine leise, ein wenig atemlose Stimme.
    »Wer will das wissen?«, gab der Inspektor zurück und nahm einen Schluck Kaffee.
    Für einen Augenblick war es still, und Salam glaubte, der Anrufer habe aufgelegt. Doch dann ertönte die gehetzte Stimme wieder. »Das tut nichts zur Sache, hören Sie mir zu, ich habe nicht viel Zeit.«
    Salam grunzte etwas Unverbindliches und zog müde einen Sessel näher. Schliefen psychopathische Anrufer eigentlich

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