Heiß
grottenschlechten Tagesanfang, und der Rest war auch nicht besser. Also …«
»Apropos Nacht, seit wann sind Se eigentlich schwul?«, fragte Gustav sanft und schielte unter halb geschlossenen Lidern auf den Kommissar. »Nich, det ick wat dagegen hätte, jedem Tierchen sein Pläsierchen …«
Thomas Calis biss die Zähne zusammen und zählte bis zehn.
»Außerdem war det nich jerade die Hauptsendezeit«, fuhr Gustav unerbittlich fort. »Wenn ick schon den rosa Hampelmann jebe, dann sollten es doch alle sehen. Tagesschau und so …«
Calis war bei fünfundzwanzig und zählte weiter. Dieser schwindsüchtige Hamster in Alkohol würde ihn nicht aus der Reserve locken. Er atmete einmal tief durch und bastelte an einer passenden Retourkutsche.
»Mich wundert, dass du mitten in der Nacht vor der Glotze hockst, wo das doch deine Hauptarbeitszeit ist«, gab Calis dann zurück und ärgerte sich, dass ihm nichts Besseres eingefallen war.
Gustav zuckte gleichmütig die Schultern und leerte den Rest der Flasche in sich hinein. Dann wischte er sich mit der Hand über den Mund und rülpste. »Wie Se meenen. Ick mach nich mehr so viel in letzter Zeit, zweemal Stütze plus Mutters Pension reichen dicke. Man wird ja ooch nich jünger.«
Calis verkniff sich die Nachfrage. Es hatte sowieso keinen Sinn. Zweimal Stütze? Während er noch verwirrt darüber nachdachte, schoss ohne Vorwarnung Gustavs Dobermann um die Ecke, rannte den Kommissar fast über den Haufen, jaulte vor Freude, sprang um ihn herum und sabberte ihn ein.
»Der knutscht Se noch zu Tode«, lachte Gustav und klopfte sich auf die Schenkel. »Komm her, Attila, der jibt dir nüscht, der hat selber zu wenig.«
»Was weißt du von dem Mord in Moabit?«, fragte Calis nach, während er mit beiden Händen versuchte, das hechelnde Monster auf Distanz zu halten.
»Wie komm’n Se druff, det ick wat wees?«, erkundigte sich Gustav mit stierem Blick. Dann hielt er die Flasche gegen den Himmel, schüttelte stumm den Kopf und ließ sie neben sich auf den Boden fallen. »Früher war da ooch mehr drin«, beschwerte er sich nuschelnd. »Wie wär’s mit Nachschub?«
»Dann schläfst du mir wieder weg, wie beim letzten Mal«, erinnerte ihn Calis und schob Attila energisch in Richtung Hollywood-Schaukel. »Entweder du sorgst dafür, dass dieser bellende Flohzirkus endlich aufhört, mich einzuspeicheln, oder ich schick dir seine Kollegen von der Drogenfahndung vorbei.«
»Is ja jut«, beschwichtigte ihn Gustav und gab dem Dobermann einen Klaps auf den Hintern. »Geh spielen, los, der Herr Kommissar hat schlecht jeschlafen. Oder er mag dich nich, weil du keen rosa Halsband hast.«
Attila trottete mit gesenktem Kopf gehorsam von dannen, und Calis atmete auf. »Moabit, Siemens, Mord«, fasste er zusammen und sah Gustav auffordernd an. »Ich trenne mich gerne von ein paar bedruckten Scheinen, aber dafür brauche ich dringend einige Informationen.«
Gustav hatte sich auf der Suche nach seinem Biernachschub heruntergebeugt und schien Calis gar nicht zuzuhören. Er tastete verzweifelt unter dem Sitz im Gras nach einer weiteren Flasche. Schließlich verlor er das Gleichgewicht, rutschte von der Schaukel und landete ächzend auf dem Boden vor dem Kommissar.
»Verdammt, jestern war da doch noch eene …«, murmelte er, aber Calis unterbrach ihn:
»Vergiss es, saufen kannst du später. Fahr dein Gehirn hoch!«
»Wie viele?«
Der Kommissar sah Gustav erstaunt an. »Was – wie viele?«
»Wie viele bedruckte Bildchen? Det is ’n janz heißes Eisen, daran kann man sich nur die Finger verbrennen.« Gustav schien mit einem Mal erschreckend nüchtern und sah Calis abwartend an. »Det kostet, und zwar nicht zu wenig.« Er rieb Zeigefinger und Daumen aneinander.
»Ich zahle beim Friseur auch nicht vorher«, meinte Thomas Calis lakonisch. »Erst mal musst du mir was liefern.«
Gustavs Knopfaugen standen plötzlich still, und er rülpste noch mal mit Hingabe. Dann versuchte er aufzustehen, hielt sich an der Schaukel fest und scheiterte kläglich. Calis fragte sich, wie viele Bier heute in diesem Garten schon den Weg alles Vergänglichen gegangen waren, bevor er gekommen war, um an den letzten Rest von Vernunft in Gustavs grauen Zellen zu appellieren.
Er erhob sich seufzend vom Gras und half Gustav hoch. »Also noch mal – was war das für eine Nummer in Moabit?«
»Job von außerhalb, da kommt ihr nie drauf«, schnaufte Gustav, und der Schweiß rann ihm in Strömen über die Stirn.
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