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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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behauptete, sie seien sorgfältig vernichtet worden. Das hätte ihn beinahe ins Grab gebracht. Aber er begriff die Warnung und ließ sich zur Polizei versetzen, in die nordwestlichen Grenzgebiete, weit weg von der Hauptstadt und doch in eine sensible Region, in der er etwas bewegen konnte.«
    »Ein Sitzplatz auf einem Pulverfass«, gab Compton zu bedenken, »und nicht gerade das, was man eine spiegelglatte Rutschbahn zur Pension nennt.«
    Llewellyn schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn vor fünf Jahren auf einem Polizeikongress in Wien getroffen, und er schien mir damals ziemlich zufrieden zu sein. Er hatte wieder geheiratet und ein ›Netzwerk der Gemäßigten‹ aufgebaut, wie er es nannte. Es herrschte Ruhe in der Provinz. Aber jetzt …«
    Compton runzelte die Stirn. »Was heißt – aber jetzt?«
    »Der Grund meines Besuchs. Ich habe vor einer Stunde mit Phönix telefoniert. Seine gesamte Familie wurde bei einem Anschlag getötet, und er ist auf der Flucht.«
    Compton ließ sich langsam in seinen Lehnsessel sinken. »Taliban?«, fragte er tonlos.
    »Nein, er meinte, er habe etwas gesehen, was er niemals hätte sehen dürfen«, erwiderte Llewellyn. »Wenn du mich fragst, dann stinkt es zum Himmel, wie damals in Bahawalpur. Und ohne uns wird Phönix es nicht lebend aus Pakistan herausschaffen. Bleibt er aber dort, dann gebe ich ihm keine achtundvierzig Stunden.«
    Der Geheimdienstchef trommelte mit den Fingern auf die Lehne. »Das tut mir leid für ihn, versteh mich bitte nicht falsch«, wandte er ein, »aber in unserem Geschäft ist Mitleid ein Luxus, den man sich nicht leisten kann, und das weißt du so gut wie ich. Eine innerpakistanische Angelegenheit, noch dazu im Hindukusch! Bei unserer kolonialen Vergangenheit sollten wir den Ball flach halten und uns nicht einmischen. Wir blamieren uns schon in Afghanistan zur Genüge.«
    »Bis hierher sind wir einer Meinung«, gab Llewellyn zu. »Aber da ist noch etwas, das du nicht weißt. Allem Anschein nach war es eine deutsche Kommandoaktion.«
    Das Glas mit dem Gin in Comptons Hand stockte auf halbem Weg. Der Geheimdienstchef sah Llewellyn verblüfft an. »Es war – was?!«
    »Mit Wissen und Unterstützung des pakistanischen Militärs«, ergänzte der Major. »Deshalb und um unserer alten Freundschaft willen möchte ich Phönix so schnell wie möglich aus dem Land haben und mit ihm reden. Und dazu brauche ich dich.«

Restaurant Kadoura, La Corniche, Alexandria/Ägypten
    »Das Essen war einfach köstlich«, schwärmte Amina Mokhtar und lächelte zufrieden, als der Kellner die leeren Teller abräumte und Wein nachschenkte. »Ich hatte mich zwar auf unser Treffen in der Bibliothek gefreut, aber diese Gaumenfreude werde ich Ihnen morgen nicht bieten können. Wir sind schon froh, einen halbwegs vernünftigen Kaffee zu bekommen.«
    »Gutes Stichwort«, hakte John Finch nach. »Wollen wir noch einen Espresso nehmen, bevor wir uns auf den Heimweg machen? Ich bringe Sie nach Hause, die Nacht ist warm, und wir können am Meer entlangspazieren.«
    »Ein Kaffee wäre der perfekte Abschluss für unser Dinner, und der Spaziergang danach wird uns guttun«, antwortete Dr. Mokhtar. »Ich wohne nicht weit vom Cecil entfernt, nahe der Bibliothek. Wir haben also den gleichen Weg.«
    »Ich habe heute Abend mehr aus meinem Leben erzählt, als ich von Ihnen erfahren habe«, meinte Finch und lehnte sich vor. »Sie wollten mich dringend sehen, aber ich weiß noch immer nicht, warum.«
    Die Wissenschaftlerin sah sich verstohlen um, betrachtete die Gäste an den anderen Tischen und überlegte kurz. »Eigentlich wäre mir mein Büro lieber, um Ihnen davon zu berichten und vor allem, um Ihnen das Dokument zu zeigen. In Ägypten haben die Wände oft Ohren, und wenn meine Vermutung richtig ist, dann handelt es sich bei meiner Entdeckung um eine wahre Sensation.«
    Sie suchte nach den passenden Worten, aber John Finch kam ihr zuvor.
    »Wahrscheinlich haben Sie recht, hier sind zu viele Menschen«, stellte er fest. »Auf unserem Spaziergang nach Hause sind wir ungestört, da sollte uns niemand belauschen.«
    »Lassen Sie mich die Vorgeschichte erzählen, dann werden Sie mich besser verstehen.« Dr. Mokhtar stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte die Hände zusammen. »Handschriften sind etwas Besonderes. Im Gegensatz zu gedruckten Büchern sind sie Unikate, haben etwas Persönliches, Einzigartiges. Ist eine einmal zerstört, dann gibt es keinen Ersatz, außer man hat vorher eine

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