Heiße Beute
haben, wie ich nicht sein wollte.
Ich legte auf und zog mich ins Wohnzimmer zurück. Bei meinen Eltern darf, wenn man vorm Fernseher sitzt, nicht gesprochen werden. Selbst wenn einem persönlich eine Frage gestellt wird, besitzt der Angesprochene die Diskretion, Hörverlust zu markieren. So sind die Regeln.
Grandma und ich saßen nebeneinander auf dem Sofa und verfolgten den Wetterbericht. Schwer zu sagen, wer von uns beiden nach dem Überfall den schlimmeren Schock davongetragen hatte.
»Wahrscheinlich doch ganz gut, dass ich es nicht angefasst habe«, stellte Grandma fest. »Obwohl, ich muss gestehen, neugierig war ich schon. Das Teil war nicht gerade hübsch, aber zum Schluss wurde es doch ganz schön dick. Hast du je so einen Dicken gesehen?«
Genau der richtige Zeitpunkt, um das Recht des Fernseh-Zuschauers auf Antwortverweigerung in Anspruch zu nehmen.
Noch ein paar Minuten Wetterbericht, dann ging ich wieder in die Küche und genehmigte mir meinen zweiten Doughnut. Ich packte meinen Kram zusammen und machte mich auf die Socken. »Ich gehe«, sagte ich zu Grandma.
»Ende gut, alles gut. Stimmt’s?«
Grandma antwortete nicht. Grandma war völlig bedröhnt von dem Wetterbericht. Von Norden her rückte ein Hochdruckgebiet heran.
Ich fuhr zurück zu meiner Wohnung. Diesmal holte ich die Pistole aus der Tasche, bevor ich aus dem Auto stieg. Ich überquerte den Parkplatz und betrat das Gebäude. Vor meiner Wohnungstür hielt ich inne. Das war immer die heikelste Stelle. War ich erst mal in der Wohnung drin, fühlte ich mich einigermaßen sicher. Ich hatte eine Vorlegekette und zwei Türschlösser. Nur Ranger konnte unangekündigt hereinkommen. Entweder schritt er einfach wie ein Geist durch die Tür, oder er löste sich wie ein Vampir in Dampf auf und glitt unter der Türschwelle hindurch. Irgendeine Methode musste es dafür geben, ich kannte sie nur nicht.
Ich schloss die Tür auf und durchsuchte meine Wohnung, wie man es aus Filmen über CIA-Operationen kennt, schlich mich von Zimmer zu Zimmer, in geduckter Haltung, mit gezückter Waffe, jederzeit bereit abzudrücken. Krachend stieß ich Türen auf und sprang auf die andere Seite. Gut, dass keiner zuguckte, es musste ziemlich albern ausgesehen haben. Ebenfalls gut, dass mir keine Hasen entgegenhoppelten und mir ihre Schwengel hinstreckten. Vergewaltigung durch einen Hasen, dagegen waren Spinnen und Schlangen die reinste Lust.
Zehn Minuten nachdem ich meine Wohnung betreten hatte, rief Ranger an.
»Bist du die nächste halbe Stunde zu Hause?«, fragte er.
»Ich schicke jemanden vorbei, der dir eine Alarmanlage einbaut.«
Der Mann der Geheimnisse kann also auch Gedanken lesen.
»Der Junge heißt Hector«, sagte Ranger. »Er ist schon unterwegs.«
Hector war schlank, ganz in Schwarz gekleidet, ein Latino. Auf seinem Hals war ein Gangslogan tätowiert, unter einem Auge eine einzelne Träne. Hector war Anfang zwanzig, und er sprach tatsächlich nur Spanisch.
Er stand gerade an der geöffneten Wohnungstür und nahm eine letzte Einstellung an der Alarmanlage vor, als Ranger kam. Ranger grüßte Hector kaum hörbar auf Spanisch und sah sich den Sensor an, der in meinen Türknauf eingebaut worden war.
Dann sah Ranger mich an, aber er verriet mit keiner Miene, was in ihm vorging. Unsere Blicke trafen sich, wir hielten ihnen eine ganze Weile stand, dann wandte sich Ranger wieder Hector zu. Mein Spanisch beschränkt sich auf Burrito und Taco, der Unterhaltung zwischen Ranger und Hector konnte ich also nicht folgen. Hector redete und gestikulierte, Ranger hörte zu und stellte Fragen, dann gab Hector ihm ein kleines technisches Gerät, sammelte sein Werkzeug zusammen und ging.
Ranger lockte mich mit gekrümmtem Zeigefinger her.
»Das ist die Fernbedienung. Ein Tastenfeld, das so klein ist, dass du es an den Schlüsselbund fürs Auto hängen kannst. Deine Tür wird mit einem vierstelligen Zifferncode geöffnet und wieder geschlossen. Das Fernbedienungsgerät sagt dir auch, ob jemand versucht hat, die Tür aufzubrechen. Du bist nicht mit irgendeiner Überwachungszentrale verbunden, es wird kein Alarm ausgelöst. Deine Wohnungstür ist aus feuersicherem Stahl, Hector hat zusätzlich noch einen Bodenriegel angebracht. Wenn du von innen abschließt, müsste eigentlich alles sicher sein. Was deine Fenster betrifft, da kann ich leider nicht viel machen, und die Feuerleiter ist auch eine Schwachstelle. Es wäre nur halb so schlimm, wenn du deine Pistole auf den
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