Heiße Beute
Frühlingsrollen.«
»Ich rufe Sie an«, sagte ich.
Er winkte zum Abschied. »Toll. Rufen Sie mich an. Haben Sie meine Telefonnummer? Sie können mich jederzeit anrufen. Ich schlafe fast nie, und selbst wenn …«
An der nächsten Ampel hielt Morelli an, sah mich an und schüttelte den Kopf.
»Noch nie eine nasse Frau gesehen?«, fragte ich ihn.
»Albert findet dich süß.«
»Er will einfach nur dazugehören.« Ich strich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Und du? Findest du mich auch süß?«
»Ich finde, du bist verrückt.«
»Ja, ich weiß. Aber sonst findest du mich doch auch süß, oder?« Ich schenkte ihm mein Miss-America-Lächeln und klimperte mit den Wimpern.
Er sah mich mit steinerner Miene an.
Ich kam mir vor wie Scarlet O’Hara, als sie am Ende von
Vom Winde verweht
fest entschlossen ist, Rhett Butler zurückzuerobern. Mit dem Unterschied, dass ich keine Ahnung hatte, was ich mit Morelli am Ende anfangen sollte.
»Das Leben ist kompliziert«, sagte ich zu ihm.
»Öfter mal was Neues, Pilzköpfchen.«
Ich winkte Morelli zum Abschied und ging triefend durch die Eingangshalle. Es tropfte nur so an mir herab, im Aufzug, im Hausflur, sogar noch in meiner Wohnung. Ich stand mitten in der Küche und schälte mich aus den Kleidern, band mir einen Handtuchturban um den Kopf, bis das Tropfen endlich aufhörte. Dann sah ich auf meinem Anrufbeantworter nach, ob Nachrichten eingegangen waren. Es hatte niemand angerufen. Rex kam aus seiner Suppendose geschossen, blickte mich mit großen Augen an und verschwand gleich wieder – nicht gerade die Reaktion, die einem als nackter Frau schmeichelt, wenn auch nur von einem Hamster.
Eine Stunde später hatte ich trockene Kleidung an, stand unten vorm Haus und wartete auf Lula.
»Fassen wir zusammen«, sagte sie, als ich es mir in ihrem Trans Am bequem machte. »Du musst jemanden überwachen, aber du hast kein Auto, stimmt’s?«
Mit erhobenen Händen wehrte ich die nächste Frage ab.
»Bitte keine weiteren Fragen!«
»Das bekomme ich in letzter Zeit immer häufiger zu hören.«
»Mein Auto wurde gestohlen.«
»Erzähl keinen Scheiß!«
»Die Polizei wird es sicher wiederfinden. Vorher knöpfe ich mir aber noch diese Dotty Palowski Rheinhold vor. Sie wohnt in South River.«
»Und wo, bitte schön, soll South River sein?«
»Ich habe eine Karte dabei. Du musst jetzt gleich links abbiegen.«
South River klebt wie der Griff einer Kanne an der Route 18. Es ist eine Kleinstadt, eingequetscht zwischen Shopping Mails und Tongruben. Hier gibt es auf einem Quadratkilometer mehr Kneipen als in ganz New Jersey zusammen. Am Ortseingang hat man einen malerischen Blick auf die Mülldeponie. Die Ortsausfahrt kreuzt den Fluss, der weiter nach Sayreville fließt, berühmt-berüchtigt wegen des Müllskandals von 1957 und wegen Jon Bon Jovi.
Dotty Rheinhold wohnte in einer einförmigen Reihenhaussiedlung aus den sechziger Jahren. Kleine Vorgärten, noch kleinere Häuser, dafür große Autos, viele große Autos.
»Schon mal so viele Autos auf einem Haufen gesehen?«, sagte Lula. »Vor jedem Haus stehen mindestens drei Stück. Hier muss irgendwo ein Nest sein.«
Die Siedlung war leicht zu überwachen. Die Kinder hier hatten inzwischen das Teenageralter erreicht. Sie besaßen eigene Autos und hatten Freunde, die ebenfalls Auto fuhren.
Ein Auto mehr oder weniger würde da gar nicht auffallen. Vorteilhaft hinzu kam, dass dies ein Vorstadtviertel war, hier gab es keine Treppenhocker auf den Veranden. Lieber verzogen sich die Bewohner in die handtuchschmalen Minigärten auf der Rückseite der Häuser, zugestellt mit Bratrosten und ganzen Armeen von Liegestühlen.
Lula hielt schräg gegenüber von Dottys Haus. »Glaubst du, dass Annie und ihre Mutter bei Dotty wohnen?«
»Das werden wir gleich erfahren. Man kann nicht einfach so zwei Menschen im Keller verstecken, vor allem nicht wenn ein Kind darunter ist. Das haut nicht hin. Außerdem plappern Kinder. Sollten Evelyn und Annie sich überhaupt hier aufhalten, dann gehen sie ganz normal ein und aus.«
»Sollen wir etwa so lange hier sitzen bleiben, bis wir das herausgefunden haben? Das könnte eine Ewigkeit dauern. Darauf habe ich mich nicht eingestellt. Allein Essen könnte zu einem Problem werden. Und bestimmt muss ich mal aufs Klo zwischendurch. Bevor ich dich abgeholt habe, habe ich ein Riesenglas Mineralwasser getrunken. Von einer zeitraubenden Aktion war nicht die Rede.«
Ich schielte Lula von der Seite
Weitere Kostenlose Bücher