Heiße Beute
kann es nicht gewesen sein. – Ach, du liebe Güte!«, sagte sie plötzlich. »Sie glauben doch nicht, dass die beiden ihn ermordet haben?«
»Nein«, sagte ich. »Ein Hase hat ihn ermordet. Noch etwas: Haben Sie das Auto gesehen, mit dem die beiden unterwegs sind? Haben sie nur ein einziges Fahrzeug?«
»Es war Dottys Auto, ein blauer Honda. Anscheinend hatte Evelyn auch ein Auto, aber das wurde ihnen auf dem Campingplatz gestohlen. Sie waren gerade mal weg, um einzukaufen, und als sie wiederkamen, waren der Wagen und ihr ganzes Gepäck verschwunden. Das muss man sich mal vorstellen!«
Ich nannte ihr meine Privatnummer und bat sie, mich anzurufen, wenn ihr noch etwas einfiele, was uns weiterhelfen könnte.
»Eine Sackgasse«, sagte ich zu Ranger. »Aber jetzt weiß ich, warum sie den Campingplatz verlassen haben.« Ich erzählte ihm das mit dem gestohlenen Wagen.
»Ich halte es eher für wahrscheinlich, dass Dotty und Evelyn nach dem Einkaufen zurückgekommen sind, ein fremdes Auto neben Evelyns stehen sahen und sich Hals über Kopf aus dem Staub gemacht haben«, mutmaßte Ranger.
»Und als sie nicht wiederkamen, hat Abruzzi ihnen alles abgenommen.«
»Würde ich genauso machen«, sagte Ranger. »Sie mit allen Mitteln aufhalten, ihnen das Leben so schwer wie möglich machen.«
Wir fuhren durch Highland Park, näherten uns der Brücke über den Raritan River. Wieder einmal standen wir ohne eine Spur da, aber wenigstens hatten wir neue Informationen. Wir wussten nicht, wo Evelyn sich jetzt aufhielt, aber wir wussten, wo sie sich aufgehalten hatte. Ferner wussten wir, dass sie nicht mehr mit dem Sentra unterwegs war.
An einer Ampel hielt Ranger an und wandte sich mir zu. »Wann hast du das letzte Mal mit einer Pistole geschossen?«
»Gerade erst, vor ein paar Tagen. Ich habe eine Schlange erschossen. Ist das eine Fangfrage?«
»Ich meine es ernst. Du solltest eine Waffe bei dir tragen. Und du solltest in Übung bleiben, was das Schießen anbelangt.«
»Also gut. Versprochen. Wenn ich das nächste Mal aus dem Haus gehe, nehme ich meine Pistole mit.«
»Wirst du auch Patronen einlegen?«
Ich zögerte.
Ranger sah mich von der Seite an. »Wehe, du legst keine Patronen ein.«
»Ja.«
Er beugte sich vor, öffnete das Handschuhfach und holte eine Waffe heraus. Es war eine fünfschüssige 38er Smith & Wesson-Spezial. Sie sah genauso aus wie meine Pistole.
»Ich war heute Morgen in deiner Wohnung und habe dir das hier mitgebracht«, sagte Ranger. »Die habe ich in deiner Plätzchendose gefunden.«
»Harte Kerle bewahren ihre Pistolen immer in Plätzchendosen auf.«
»Zum Beispiel?«
»Rockford.«
Ranger grinste. »Ich nehme alles zurück.« Er fuhr die Straße am Fluss entlang, und nach wenigen hundert Metern bog er auf einen Parkplatz, der zu einem großen hallenartigen Gebäude gehörte.
»Was ist das?«, fragte ich.
»Ein Schießstand. Wir werden jetzt ein bisschen üben, wie man mit einer Waffe umgeht.«
Ich wusste ja, dass ich es dringend nötig hatte, aber ich konnte den Schießlärm nicht ab, und auch die Mechanik so einer Waffe war mir suspekt. Mir missfiel die Vorstellung, dass ich damit ein Gerät in Händen hielt, das bei jedem Schuss kleine Explosionen auslöste. Immer erwartete ich, dass etwas schief ging und ich mir den Daumen wegpusten würde.
Ranger stattete mich mit Ohrenschützer und Schutzbrille aus, reihte die Patronen vor mir auf und legte die Waffe auf den Ständer an dem uns zugewiesenen Platz. Die Gewehrscheibe holte er auf sechs Meter Entfernung heran. Sollte ich jemals auf einen Menschen schießen, musste man wohl davon ausgehen, dass er sehr dicht vor mir stand.
»Also gut, Tex«, sagte er. »Dann zeig mal, was du draufhast.«
Ich lud durch und schoss.
»Gut«, sagte Ranger. »Und jetzt mit geöffneten Augen.«
Er korrigierte die Haltung meiner Hände und meiner Beine. Ich versuchte es noch mal.
»Schon besser«, sagte Ranger.
Ich übte so lange, bis der Arm schmerzte und ich den Abzug nicht mehr betätigen konnte.
»Wie kommst du jetzt mit der Waffe zurecht?«, fragte Ranger.
»Sie liegt mir schon besser in der Hand als vorher. Aber ich mag sie trotzdem nicht.«
»Von mögen war nicht die Rede.«
Es war später Nachmittag, als wir den Schießstand verließen, und auf der Fahrt durch die Stadt gerieten wir in den Berufsverkehr. Mir fehlt im Straßenverkehr die Geduld. Ich fluche beim Fahren, stoße den Kopf gegen das Steuerrad. Ranger war völlig ungerührt, blieb
Weitere Kostenlose Bücher