Heiße Hüpfer
Fliegen. Essen: Mottenlarven.« Er starrte auf die Wörter hinab.
Eigentlich vermittelten sie eine ziemlich deutliche Botschaft.
Warum mochten ihn die Einheimischen nicht? Er begegnete
irgendeinem kleinen Stamm, und zunächst waren al e freundlich. Er
schnappte das eine oder andere auf, merkte sich Namen und lernte
genug von der Sprache, um über al tägliche Dinge zu reden, zum Beispiel
übers Wetter – und plötzlich verjagte man ihn. Warum? Alle sprachen übers Wetter, oder?
Rincewind hatte sich immer für jemanden gehalten, der vorschnel
urteilte. Darauf kam es seiner Meinung nach an – die Lage schneller zu
beurteilen als andere, um rechtzeitig die Flucht ergreifen zu können. Als
man ihm die wahre Bedeutung von Vorurteilen und dergleichen erklärt
hatte, zögerte er nicht, so etwas für sich sofort abzulehnen. Für ihn
bestand die Welt schlicht und einfach aus Personen, die ihn umbringen
wol ten, und anderen, die es nicht auf ihn abgesehen hatten. Eine solche
Einstellung ließ nicht viel Platz für Einzelheiten wie Hautfarbe und
dergleichen. Doch wenn er am Lagerfeuer saß und versuchte, ein
einfaches Gespräch zu führen… Plötzlich ärgerten sich die Leute ohne
ersichtlichen Grund und jagten ihn fort. Warum wurden sie zornig, nur
weil man Dinge sagte wie: »Meine Güte, wann hat’s hier zum letztenmal
geregnet?«
Rincewind seufzte, griff nach dem Stock und hämmerte damit auf eine
Stelle des Bodens ein, bevor er sich schlafen legte.
Gelegentlich schrie er leise, und seine Beine machten laufende
Bewegungen, was darauf hinwies, daß er träumte.
Etwas bewegte sich im Wasserloch. Dieses war nicht sehr groß,
eigentlich kaum mehr als eine kleine Lache, tief in einem von Büschen
bewachsenen Einschnitt zwischen den Felsen. Die Flüssigkeit in dem
Loch konnte man nur deshalb »Wasser« nennen, weil sich Geographen
weigerten, Ausdrücke wie »Suppenloch« zu verwenden.
Die Oberfläche dieses Wassers kräuselte sich nun, als hätte jemand
etwas in die Mitte des Loches geworfen. Konzentrische Kreise dehnten
sich aus, und seltsamerweise hielten sie nicht an, als sie den Rand des
Wasserlochs erreichten. Sie bestanden aus blassem weißem Licht und
krochen übers Land. Als sie Rincewind erreichten, veränderten sie sich
und flossen um ihn herum, machten ihn zum Zentrum ihrer neuen
Formation. Die Linien setzten sich aus kleinen weißen Punkten
zusammen und wirkten wie Perlenketten.
Erneut kam Bewegung ins Wasserloch. Etwas stieg abrupt daraus
hervor und raste durch die Nacht davon.
Im Zickzack stob es von den Felsen zum Berghang, dann zurück zum
Wasserloch. Und als das Auge des Beobachters nach oben gleitet,
erkennt es andere Linien, die im Licht des hin und her zuckenden Etwas
sichtbar werden. Wie Rauch hängen sie über der Landschaft, und aus
großer Höhe könnte man den Eindruck gewinnen, das Land hätte einen
Blutkreislauf oder Nerven…
Tausend Meilen vom schlafenden Zauberer entfernt berührte die
rasende Linie erneut den Boden, huschte in einer Höhle wie das Licht
eines Suchscheinwerfers über die Wände.
Sie verharrte vor einem großen, spitz zulaufenden Felsen, schien dann
eine Entscheidung zu treffen und sauste wieder gen Himmel.
Das Licht kehrte zum Kontinent zurück und sprang ins Wasserloch,
ohne daß es platschte. Erneut entstanden drei oder vier Ringe aus Etwas, die sich erst auf der Wasseroberfläche und dann auch auf dem Land
ausbreiteten.
Die Dunkelheit der Nacht verdichtete sich wieder, aber irgendwo im
Boden pochte es dumpf. Büsche erzitterten. In den Bäumen erwachten
Vögel und flogen davon.
Nach einer Weile bildeten sich dünne weiße Linien an einem Felsen
unweit des Wasserlochs und formten ein Bild.
Abgesehen von dem Wesen, das im Wasserloch wohnte, hatte
Rincewind auch noch die Aufmerksamkeit eines anderen Beobachters
geweckt.
Tod bewahrte Rincewinds Lebensuhr inzwischen in einem speziel en
Regal seines Arbeitszimmers auf. Damit verhielt er sich wie ein Zoologe,
der ein besonders interessantes Exemplar im Auge behalten möchte.
Die Lebensuhren der meisten Leute hatten jene klassische Form, die
Tod für angemessen hielt, um ihren Zweck zu erfül en. Sie sahen aus wie
zu groß geratene Eieruhren, und der in ihnen rieselnde Sand maß die
Sekunden des Lebens.
Rincewinds Lebensuhr schien das Werk eines Glasbläsers zu sein, der
in einer Zeitmaschine einen Schluckauf bekommen hatte. Tod konnte
ziemlich gut die Lebenszeit
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