Heiße Nacht, Sueßes Gestaendnis
eigenen?
„Meine Eltern lebten hauptsächlich auf einem großen Anwesen in Bel Air.“ Jegliche Wärme war aus seinem Tonfall verschwunden. „Aber sie liebten es, zu reisen und wilde Partys zu feiern. Ein Kind stört dabei nur, sobald es alt genug ist, um den Mund aufzumachen und für sich selbst zu sprechen.“
„Ich verstehe.“ Dabei verstand sie überhaupt nichts. Sie selbst hatte sich von ihrem Vater schmerzlich im Stich gelassen gefühlt. Dabei hatte er sich vor ihrer endgültigen Entzweiung jahrelang die schrecklichsten Vorwürfe von ihr anhören und jede Menge Unsinn ertragen müssen. Sie hatte ihm die Schuld für alles Schlechte in ihrem Leben gegeben, ihm sogar die Verantwortung für den Tod ihrer Mutter vorgeworfen. Tess hasste ihn dafür, dass er sie kontrollieren und ihr Disziplin einbläuen wollte … aber wenigstens hatte er es versucht und sich gekümmert. Nates Eltern schien ihr Sohn dagegen völlig gleichgültig gewesen zu sein.
„Ist ja auch egal“, tat Nate seine letzte Bemerkung schnell ab. „Jedenfalls erinnerte Grandpa meinen Vater während des Telefonats an dessen väterliche Verantwortung. Dann sagte er irgendetwas über Zane und darüber, wie mein Vater sein eigen Fleisch und Blut so schändlich behandeln könne.“ Hinter seiner ausdruckslosen Stimme brodelten die Emotionen, das konnte Tess deutlich spüren. „Ich brauchte eine Weile, bis ich verstand, was das heißen sollte. Danach war ich total aufgeregt und konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Der Gedanke, Zane und ich könnten Brüder sein, hat mich ganz verrückt gemacht. Er ist zwei Jahre älter als ich. Damals war er also sechzehn und der coolste Junge, den ich jemals getroffen hatte. Er hatte Playboy-Magazine unter dem Bett versteckt, einen Onkel, der ihm das Fahren mit H-Schaltung beibrachte und eine Schildkröte, die ihm aus der Hand fraß. Er konnte aus zehn Schritten Entfernung in eine Konservendose spucken und auf Kommando aufstoßen. Ich fand ihn wirklich und wahrhaftig unbeschreiblich cool.“
„Klingt nach einem beeindruckenden Kerl“, kommentierte sie trocken. Innerlich ging ihr Herz auf, wenn sie Nate so schwärmen hörte. Eine Freundin von diesem Kaliber hätte sie sich auch gewünscht. Zum Glück hatte Nate einen solchen besten Freund gefunden, denn es klang so, als hätte er ihn bitter nötig gehabt.
„Und das Beste von allem war: Er mochte mich. Ich habe ihn unheimlich bewundert, und für mich war es die beste Nachricht meines ganzen Lebens, dass dieser Held mein großer Bruder sein sollte. Am nächsten Tag bin ich gleich zum Cottage gerannt. Ich habe die ganze Zeit nur an mich gedacht, und wie toll ich das Ganze finde. Nicht einmal ist mir in den Sinn gekommen, wie es Zane oder seiner Mutter damit gehen könnte“, schloss er verbittert.
„Natürlich hast du nicht daran gedacht. Das ist doch nachvollziehbar“, meinte Tess beruhigend. Ihr tat der kleine, begeisterte Junge leid, der so sehr auf seinen besten Freund angewiesen war. Und auch der Mann, der sich heute noch für seine ganz normale Reaktion schämte. Sie legte ihm die Hand auf den Oberschenkel und spürte, wie er sich verkrampfte. „Wie alt warst du da? Dreizehn oder vierzehn? Kinder denken grundsätzlich zuerst an sich selbst, und das ist auch gut so. Egozentrik gehört in dem Alter zum ureigensten Überlebensinstinkt.“ Besonders für Kinder, denen die Liebe und Unterstützung versagt wird, die sie dringend brauchen.
Sie dachte an ihre eigene selbstsüchtige Reaktion auf den Tod ihrer Mutter. An die Hölle, durch die sie ihren Vater geschickt hatte, ohne ihr Verhalten ihm gegenüber jemals infrage zu stellen. Kein einziges Mal hatte sie über den Verlust nachgedacht, den der Tod seiner Frau für ihn bedeutet haben musste – bis heute. Doch auf einmal sah sie ihren Vater vor sich – auf der Beerdigung – mit seinem vollen, braunen Haar, das über Nacht grau geworden war. Dunkle Schatten unter den Augen, die Zähne zusammengebissen und die moosgrünen Augen gebrochen vor Trauer. Warum hatte sie das vorher nie gesehen?
Vielleicht war sie doch nicht so erwachsen und unabhängig, wie sie immer glaubte. Das würde auch erklären, wieso sie in Bezug auf Nate voreilige Schlüsse gezogen und ihn von Beginn an als unzuverlässigen Mistkerl abgeschrieben hatte. Ein Eindruck, der sich inzwischen gründlich als falsch erwies.
„Was ist passiert, als du Zane konfrontiert hast?“ Sie drückte seinen Schenkel etwas, damit er mit seiner
Weitere Kostenlose Bücher