Heiße Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
verrückt. Ich war frei. Der ungewöhnliche Vorschlag verschlug mir die Sprache. Gleichzeitig dachte ich bereits über den Reiz eines solch provokanten Angebots nach, und meine Intuition sagte mir, dass ich nicht lange zögern sollte. Ich empfand kein Mitleid mit diesem Mann. Selbstlosigkeit zählte auch nicht gerade zu meinen Stärken. Ich hatte noch nie ernsthaft darüber nachgedacht, mich an jemanden zu binden, aber ich ertappte mich dabei, wie ich mir vorstellte, mich an D. anzupassen. »Sind Sie sicher, dass Sie es aushalten, mit einer Hure zu leben?« Das Wort war mir ohne zu zögern über die Lippen gekommen. Klar und deutlich, sodass er reagieren musste.
Er hat gelächelt und gesagt, dass Elektroschocks überflüssig seien. Meine dunkle Seite sollte einfach nur die seine akzeptieren.
In dem Augenblick ist mir der Film von Mankiewicz wieder eingefallen. Die Heldin aus Die barfüßige Gräfin verliebt sich in einen Mann, der aufgrund einer Verletzung impotent ist. Das Drama erreicht seinen Höhepunkt, als sie erst nach der Hochzeit davon erfährt. Ich hatte Glück: Ich war gewarnt und eher neugierig als verliebt.
Zimmer Nummer 9
Samstag, 2. Mai, 23 Uhr 12
Sie tragen ein goldbraunes Seidenensemble, das aus einer weiten Hose und einer Bluse besteht, die an den Lenden geschnürt ist. Eine Schärpe und ockerbraune Sandalen akzentuieren Ihre Figur. Die Frau hat auf Seide bestanden.
Sie sitzt auf dem Bett und bittet Sie, zu ihr zu kommen. Sie versuchen, zu ihr zu gelangen, ohne in der Dämmerung zu straucheln. Ein Koffer, aus dem diverse Kleidungsstücke hervorquellen, steht im Weg. Sie mustern sie. Oder zumindest das, was Sie im schwachen Schein der Lampe, die sie vorsorglich auf den Boden vor das große Glasfenster gestellt hat, von ihr erkennen können: kurze, fast rasierte Haare, Ende fünfzig, dennoch kaum Falten, ruhig. Sie wirkt vornehm, fast königlich, was ihr anmutiger Hals noch unterstreicht. Nur das regelmäßige Ticken eines Reiseweckers ist zu hören, dessen phosphoreszierende Ziffern auf dem Nachttisch leuchten. Es wird kein Wort fallen. Zumindest nicht gleich. Das wissen Sie bereits.
Sie deutet mit dem Zeigefinger auf Sie und legt ihn gleich darauf auf die Mulde an Ihrem Hals. Dorthin, wo Ihr Puls schlägt. Sie lässt den Finger eine ganze Weile dort. Er wirkt beunruhigend. Es ist, als könnte sie mit dem Finger in Ihnen lesen. Sie atmen tief ein. Nicht nervös, sondern erwartungsvoll. Der Finger löst sich, folgt der Linie Ihres Halses, erreicht die Schulter und streicht über den Unterarm bis zu Ihrer Armbeuge. Sie zittern. Sie erinnern sich an das erste erregende Erlebnis Ihrer Kindheit. Das unerhörte Gefühl an Ihren Haaren, als sie Ihnen unbemerkt über die Haut strich, während Sie aus Langeweile im Unterricht Buchstaben und alberne Zahlen in Ihr Heft kritzelten. Der Finger auf der Seide erzeugt dasselbe Knistern, das gleiche Kribbeln. Die Frau zeichnet Sie. Der Finger ist ihr Stift. Sie lassen es geschehen. Sie erwartet nichts von Ihnen.
Die Zeichnung geht weiter. Der Finger folgt der Wölbung Ihrer Brust, er zögert an der Spitze, die sich unter dem Stoff noch stärker aufrichtet. Der Finger entfernt sich und gleitet zum Mund. Nun feucht kehrt er zurück. Sie zittern erneut. Sie zieht Sie dichter an sich, sodass Ihre Hüften sie berühren. Sie erobert Ihren Körper wie eine Musikerin ihr Instrument. Unter ihrem geschickten Streicheln, erst leicht, dann stärker, unvorhersehbar, vibriert Ihr gesamtes Rückgrat, Ihre Lenden beben. Mit einem zärtlichen Druck lädt die Hand Sie kurz darauf ein, sich ganz auf das Laken zu legen. Die Hand gleitet herab und streicht über Ihren Bauch. Sie atmen tief durch. Ihr Bauch hebt sich. Die Seide knistert. Die Seide verdeckt die Quelle. Der Finger gleitet am Saum herab. Streicht kaum merklich über den Venushügel. Dass Sie sich beide nicht entkleiden, empfinden Sie als überaus erregend. Der Finger gräbt sich an Ihren Lippen in den Stoff. Sie spüren es. Sie werden feucht. Das Gefühl gefällt Ihnen. Sie wollen, dass es andauert. Die Frau auch. Ihr Finger ruht auf Ihrer Feuchtigkeit. Der erregende Stift beschreibt eine Arabeske. Das Ticken ist ohrenbetäubend. Ein dunkler Fleck breitet sich aus.
An diesem Punkt wünschen Sie sich, ihr in die Augen zu sehen. Sie richten sich auf und fassen ihr Kinn.
»Sieh mich an. Sofort.«
»Selbst, wenn ich wollte …«, murmelt sie. »Ich bin seit Langem blind. Ich höre und ich fühle dich. Deine feuchte
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