Heiße Naechte im Strandhaus
hatte! Aber was hatte sie anderes erwartet? Dieses scheinbar so großzügige Angebot, die Schulden ihrer Eltern zu übernehmen, hatte er schließlich nur aus Eigennutz gemacht. Natürlich war es keine selbstlose Geste, die er zwei einigermaßen exzentrischen Leutchen zukommen ließ – alles andere als das.
Sie versuchte, nicht mehr an ihn zu denken und sich auf die Frage zu konzentrieren, wer ihr geheimnisvoller Besuch sein könnte. Hatte Francesco womöglich ihre Mum und ihren Dad gleich mitgebracht? Doch als sie ihr Zimmer betrat, sah sie sich zwei fremden Frauen gegenüber.
Die beiden waren äußerst elegant gekleidet und hatten unzählige edel aussehende Kartons um sich herum versammelt. Die Ältere hatte sich ihr kurz geschnittenes gegeltes schwarzes Haar so streng an den Kopf gekämmt, dass es wie aufgemalt wirkte. Sie stand jetzt aus ihrem Sessel auf und kam ihr entgegen.
„Miss Maybury?“ Dunkle Augen musterten sie prüfend. „Signor Mastroianni hat uns freundlicherweise gebeten, Ihnen eine kleine Auswahl an Garderobe zusammenzustellen.“
In ihrer Stimme schwang ein leichter Akzent mit. Eine Französin? Anna runzelte die Stirn. Noch mehr Almosen? Oh nein, besten Dank.
„Tut mir leid, aber ich fürchte, Sie haben sich umsonst herbemüht“, erwiderte sie steif, während sie das Gefühl hatte, an dieser neuen Demütigung fast zu ersticken. „Ich habe alles, was ich brauche.“
Eine bleistiftdünne Augenbraue hob sich. „Der Signore besteht aber darauf.“
„Nein.“ Ihre Sachen waren in Ryland, irgendwer konnte sie abholen. Auch wenn sie quasi eine Gefangene war – zum Wohl ihres geliebten Sohnes –, hatte sie nicht vor, sich wie eine solche zu verhalten. In der Absicht, ihre Besucherinnen zu verabschieden, wandte sie sich zur Tür. Da sah sie aus dem Augenwinkel einen Ausdruck von Befürchtung über das fast maskenhaft geschminkte Gesicht der älteren Frau huschen. Prompt meldete sich ihr Mitgefühl.
Inzwischen hatte sie an Francesco eine neue Seite entdeckt. Sie war sich fast sicher, dass jeder, der seine Anweisungen nicht gewissenhaft befolgte, mit Sanktionen zu rechnen hatte. Die Frau konnte nichts für die wenig beneidenswerte Situation, in der Anna sich befand, warum also sollte sie darunter leiden?
Allein aus diesem Grund zeigte sie sich kompromissbereit. „Na schön, dann probiere ich eben ein paar Sachen an“, sagte sie, immer noch leicht widerstrebend. Aber die beiden Frauen entspannten sich sichtlich und begannen sofort, eifrig Deckel von Kartons zu ziehen. Behutsame Hände teilten ehrfürchtig raschelndes Seidenpapier, um teure Stoffe in atemberaubenden Farben freizulegen.
So elegante Kleider anzuprobieren kann ja vielleicht sogar Spaß machen, überlegte Anna. Es waren Kleider, die sie bisher nur in mondänen Hochglanzmagazinen gesehen hatte. Außerdem konnte Francesco die Sachen ruhig kaufen, sie musste sie deshalb ja noch lange nicht tragen.
Beobachtet von den beiden Frauen schlüpfte sie aus ihrem Umstandskleid, irgendwie heilfroh, endlich aus diesem Zelt herauszukommen, das sie – wie es schien – nun schon seit Ewigkeiten trug. Ein Gedanke, den sie allerdings sofort entschlossen beiseiteschob. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sie sich von Sekunde zu Sekunde wohler fühlte, während sie ein Kleidungsstück nach dem anderen anprobierte.
Das hatte wohl einerseits damit zu tun, dass die Frauen immer wieder in Entzückensrufe ausbrachen, was Anna natürlich nicht ernst nahm, andererseits aber lag es auch daran, dass sich die teuren Stoffe – Seide, Kaschmir und teures Leinen – auf der Haut so wunderbar anfühlten. Ein Grund mehr für Anna, das, was sie mittlerweile als ein unterhaltsames Gesellschaftsspiel betrachtete, bereitwillig mitzuspielen. Nur einmal fühlte sie sich mehr als unbehaglich, als die ältere Frau sie mit schräg gelegtem Kopf und hochgezogenen Augenbrauen musterte und verblüfft sagte: „Der Signore kennt ihre Maße ja wirklich aus dem Effeff.“
Plötzlich hatte Anna Schmetterlinge im Bauch, gepaart mit Entsetzen. Er kannte ihren Körper in all seinen intimen Einzelheiten. Hitze sammelte sich in Gegenden, wo es absolut unangebracht war. Sie gab sich alle Mühe, es zu ignorieren, aber es klappte nicht.
Da machte ihr die ganze Maskerade plötzlich keinen Spaß mehr. Mit zusammengepressten Lippen streckte sie die Hand nach dem letzten noch unberührten Kleiderkarton aus. Bring es so schnell wie möglich hinter dich! Jäh verärgert über
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