Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
das lachende dunkelhaarige Mädchen auf dem Foto wieder vor sich und erfuhr, dass es zwei Sprachen sprach, gern Basketball spielte und Gemüse für eklig hielt.
„Sie ist schon immer ein fröhliches und warmherziges Kind gewesen, aber das heißt nicht, dass sie ein Engel ist. Sie ist stur, und wenn ihr etwas nicht passt, kann sie ganz schön wütend werden. Faith will immer alles allein schaffen. Schon mit zwei Jahren bekam sie einen Wutanfall, wenn ich ihr beim Treppensteigen helfen wollte.“
„Der Unabhängigkeitsdrang liegt also offensichtlich in der Familie.“
Liz lockerte die Schultern. „Das ist auch unerlässlich.“
„Hast du schon mal daran gedacht, Dinge mit anderen zu teilen?“
Ihre Nerven begannen zu flattern. Sie bewegte sich nur unmerklich, aber sie entfernte sich von ihm. „Wenn man teilt, muss man etwas aufgeben. Ich kann es mir nicht leisten, etwas aufzugeben.“
Es war die Antwort, mit der er gerechnet hatte. Es war die Antwort, die er zu ändern gedachte. „Es wird Zeit, wieder nach unten zu gehen.“
Liz half ihm, die Tanks anzulegen. „Nimm die Harpune mit. Jonas …“ Er saß schon auf der Reling, bevor sie zu ihm ging. „Komm schnell wieder nach oben“, murmelte sie. „Ich will nach Hause zurück. Ich will mit dir schlafen.“
„Was für ein Zeitpunkt, um das zu verkünden.“ Er grinste sie breit an, lehnte sich zurück und ließ sich ins Wasser fallen.
Es dauerte keine fünf Minuten, bevor Liz wieder unruhig auf und ab marschierte. Wieso hatte sie nicht daran gedacht, eine Thermoskanne mit heißem Kaffee mitzubringen? Das wäre das Erste, was sie in Angriff nehmen würde, sobald sie zu Hause waren. In weniger als einer Stunde würden sie zusammen in ihrer Küche sitzen, und die Kaffeemaschine würde das Aroma von frischem Kaffee verbreiten. Dass die Polizei ihr Haus umstellt hatte und beobachtete, wäre dann unwichtig. Sie und Jonas säßen sicher im Innern. Zusammen. Vielleicht irrte sie sich ja, was das Teilen anbelangte. Vielleicht …
Als sie Wasser am Bootsrand aufspritzen hörte, schoss sie wie ein Pfeil zur Leiter. „Jonas, ist etwas schiefgelaufen? Wieso …“ Sie schaute in den Lauf einer Zweiundzwanziger.
„Señorita.“ Manchez riss seine Schnorchelmaske runter, als er an Bord kletterte. „ Buenas noches .“
„Was haben Sie hier verloren?“ Liz versuchte, sich entrüstet zu geben, während sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht wich. Nein, sie war nicht mutig, wurde ihr klar. Sie war ganz und gar nicht mutig. „Wir hatten eine Abmachung.“
„Sie sind eine Amateurin“, sagte Manchez abfällig. „Genau, wie Sharpe ein Amateur war. Haben Sie sich etwa tatsächlich eingebildet, wir würden das Geld vergessen?“
„Ich weiß nichts von dem Geld, das Jerry für sich genommen hat.“ Sie klammerte sich an die Reling. „Das habe ich Ihnen von Anfang an gesagt.“
„Der Boss ist der Meinung, dass Sie ein Problem darstellen, hübsche Lady. Sie tun uns einen Gefallen und übernehmen diese Lieferung. Wir tun Ihnen einen Gefallen und lassen Sie schnell und schmerzlos sterben.“
Sie schaute nicht zu der Waffe in seiner Hand. Wagte es nicht, die Pistole anzusehen. „Wenn Sie sämtliche Ihrer Taucher umbringen, können Sie Ihr Unternehmen bald vergessen.“
„Auf Cozumel sind wir sowieso fertig. Wenn Ihr Freund mit dem Koffer auftaucht, nehme ich ihn an mich und ziehe nach Mérida weiter. Ich lebe mit Stil, Sie leben überhaupt nicht.“
Sie hätte sich gern gesetzt, denn ihre Knie drohten nachzugeben. Sie blieb stehen, weil sie vermutete, dass sie vielleicht nie wieder stehen würde. „Wenn Sie auf Cozumel fertig sind, wozu dann noch diese Lieferung?“
„Clancy räumt eben gern hinter sich auf.“
„Clancy?“ Das war der Name, den David Merriworth erwähnt hatte, wie Liz einfiel. Verzweifelt lauschte sie darauf, ob sie nicht etwas vom Wasser her hörte.
„Da unten liegen nur ein paar Tausend in Kokain, ein paar Tausend sind in dem Koffer. Der Boss meinte, die Investition lohne sich, damit es so aussieht, als hätten Sie zusammen mit Sharpe mit Drogen gedealt. Dann geraten Sie beide in einen Streit und erschießen sich gegenseitig. Fall sauber abgeschlossen.“
„Sie waren es auch, der Erika umgebracht hat, oder?“
„Erika hat zu viele Fragen gestellt.“ Er ließ die Waffe ein Stück sinken. „Sie stellen auch zu viele Fragen.“
Grelles Licht flammte plötzlich auf, flutete die Wasseroberfläche und das Boot. Liz’ erster Impuls war
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