Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
werde ich wahnsinnig, weil ich mir dann ausmale, was dir alles zustoßen könnte.“
„Nimm meine Zeit.“ Er hievte sich die Sauerstoffflasche auf den Rücken. „Hilf mir damit, ja?“
Hatte sie nicht schon vor Wochen gewusst, dass er ein Mann war, der nie als Verlierer aus einer Debatte hervorging? Ihre Finger zitterten leicht, als sie die Gurte über seine Schultern zog. „Ich weiß nicht, wie man damit umgeht, beschützt zu werden.“
Er hakte die Gurte an die Tanks und drehte sich wieder zu ihr um. „Dann fängst du am besten gleich mit dem Üben an.“
Sie schloss die Augen. Es blieb keine Zeit, noch länger zu reden, für eine Diskussion war es zu spät. „Halte dich in nordöstlicher Richtung, wenn du abtauchst. Die Höhle liegt in etwas über sechsundzwanzig Meter Tiefe.“ Sie zögerte einen Moment, griff dann nach der Harpune und reichte sie ihm. „Achte auf Haie.“
Als er im Wasser war, übergab sie ihm den Aktenkoffer. Innerhalb von Sekunden war er verschwunden, das Meer lag wieder still und dunkel da. In Gedanken tauchte Liz mit ihm ab, Zentimeter für Zentimeter. Im Wasser war es so finster, dass er sich nur auf die Messgeräte und den dünnen Lichtstrahl seiner Lampe verlassen konnte. Nachtwesen würden auf Beutezug unterwegs sein – Kraken, Muränen, Barrakudas. Haie. Liz verdrängte die Bilder in ihrem Kopf.
Sie hätte ihn zwingen sollen, sie runtergehen zu lassen. Und wie? Unruhig marschierte sie auf Deck auf und ab. Er war getaucht, weil er sich um sie sorgte. Sie setzte sich wieder, rieb sich zitternd die kalten Arme. So war es also, wenn ein Mann sich etwas aus einem machte? Hieß das, dass man nur dasitzen und warten konnte? Rastlos sprang sie auf, begann, wieder auf und ab zu laufen. Zu lange schon lebte sie ein aktives und geschäftiges Leben, um jetzt plötzlich passiv abwarten zu können. Und doch … Ihn sagen zu hören, dass ihm an ihr lag … Liz setzte sich hin und wartete.
Viermal schaute sie auf ihre Armbanduhr und prüfte Jonas’ Zeit, bevor sie ihn an der Bootsleiter hörte. Erleichterung schwappte über ihr zusammen und ließ sie erschauern. Sie eilte zur Leiter, um ihm zu helfen. „Den nächsten Tauchgang übernehme ich“, setzte sie sofort an.
Jonas nahm erst die Lampe ab, dann die Tanks vom Rücken. „Vergiss es.“ Bevor sie protestieren konnte, presste er sie an sich. „Wir haben jetzt eine Stunde“, murmelte er an ihrem Ohr. „Willst du die mit Streiten verbringen?“
Er war nass und kalt. Liz schmiegte sich dennoch an ihn. „Ich mag es nicht, herumkommandiert zu werden.“
„Beim nächsten Mal kannst du mir Befehle erteilen.“ Er ließ sich auf die Sitzbank sinken und zog sie mit sich. „Ich hatte ganz vergessen, wie es bei Nacht dort unten ist. Absolut fantastisch.“ Und es ist fast vorbei, sagte er sich still. Der erste Schritt war gemacht, jetzt musste nur noch der zweite folgen. „Ich habe einen riesigen Kraken gesehen. Mit meinem Licht habe ich den armen Kerl halb zu Tode erschreckt. Ich schwöre, der war mindestens zehn Meter groß.“
„Es gibt auch noch größere.“ Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und versuchte, sich zu entspannen. „Ich bin einmal mit meinem Vater getaucht. Wir sind einem fast zwanzig Meter großen Kraken begegnet.“
„Hattest du Angst?“
„Nein, ich war begeistert. Ich weiß noch, ich bin an ihn herangeschwommen, um seine Tentakel zu berühren. An Land hat mein Vater mir dann zwanzig Minuten lang eine Standpauke gehalten.“
„Ich kann mir denken, dass du das bei Faith ebenso machen würdest.“
„Ich wäre stolz auf sie“, setzte Liz an, dann lachte sie auf. „Und danach würde ich ihr fünfundzwanzig Minuten lang die Leviten lesen.“
Erst in diesem Moment fielen ihm die Sterne auf. Der Himmel war übersät mit ihnen. Es ließ ihn an die Hollywoodschaukel auf der Terrasse seines Elternhauses denken und an lange milde Sommernächte. „Erzähl mir von ihr.“
„Glaub mir, du willst gar nicht, dass ich von ihr anfange.“
„Doch will ich.“ Er legte den Arm um ihre Schultern. „Ich möchte, dass du mir von ihr erzählst.“
Mit einem kleinen Lächeln schloss Liz die Augen. Es tat gut, an Faith zu denken, über Faith zu reden. Und so begann sich vor Jonas ein Bild zusammenzusetzen von einem jungen Mädchen, das gern zur Schule ging, weil es da immer so viel zu tun und zu lernen und immer so viele Leute gab. Er hörte die Liebe und den Stolz in Liz’ Stimme – und die Sehnsucht. Er sah
Weitere Kostenlose Bücher