Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
die metallene Kiste auf und hasste sie mit Inbrunst.
„Und wohin gehen wir jetzt?“
Jonas öffnete die Tür. „Einen Drink besorgen.“
Statt sich mit Jonas zusammen in die Lounge zu setzen, nahm Liz sich Zeit für sich selbst. Da sie der Meinung war, dass er ihr so einiges schuldig war, ging sie in die Hotelboutique, besorgte sich einen schlichten einteiligen Badeanzug und ließ ihn auf die Zimmerrechnung schreiben. Mehr als frische Kleidung für den nächsten Tag und ihre Kosmetiktasche hatte sie nämlich nicht mitgenommen. Wenn sie also schon den Abend über in Acapulco festsaß, würde sie Gebrauch von dem privaten Pool machen, der zu jeder Villa gehörte.
Als sie die Suite betrat, war sie überwältigt. Ihre Eltern hatten ein gutes, sorgenfreies Auskommen gehabt, Liz war in einer soliden Mittelklasseschicht aufgewachsen. Das bedeutete aber auch, dass nichts sie auf den üppigen Luxus dieser Suite mit Blick auf den Pazifischen Ozean vorbereitet hatte. Ihre Füße versanken in dem dicken weichen Teppich. Aquarelle in sanften Farben hingen an den elfenbeinfarbenen Wänden. Auf dem großen graublauen Sofa konnten es sich problemlos zwei Leute gemütlich machen.
Im Bad fand sie ein Telefon neben der Wanne stehen, eine Wanne so groß und so tief, dass Liz versucht war, den Pool zu vergessen und sich lieber hier ins Wasser zu setzen. Das Waschbecken, im blassesten aller Rosatöne, hatte die Form einer Muschel.
So gut lassen es sich also die Reichen gehen, dachte sie und ging wieder zurück in ihr Schlafzimmer. Ihre Reisetasche stand am Fußende eines Betts, das breit genug war, dass locker drei Leute darin Platz hätten. Die Vorhänge an den Flügeltüren zu ihrem Balkon waren aufgezogen, sodass sie freien Blick auf die Brandung des Ozeans hatte. Sie wollte auch das Rauschen der Wellen hören, und so zog sie die Türen weit auf.
Das war die Welt, von der Marcus ihr vor so vielen Jahren erzählt hatte. Er hatte es wie ein Märchen in traumhaften Farben geschildert. Liz hatte sein Zuhause nie gesehen, ihr war es nicht erlaubt gewesen, aber er hatte es ihr beschrieben. Die weißen Säulen, die weißen Balkone und Veranden, die breite Treppe, die sich endlos nach oben in die nächsten Stockwerke wand. Da gab es Diener, die einem den Nachmittagstee servierten, und Ställe, in denen die Stallknechte Vollblüter mit schimmernden Fellen für den Ausritt sattelten. Champagner wurde aus französischen Kristallflöten getrunken. Ja, es war wie im Märchen, aber sie hatte das alles gar nicht gewollt. Sie hatte nur ihn gewollt.
Das Luftschloss eines jungen, unerfahrenen Mädchens, dachte Liz jetzt. In ihrer Naivität hatte sie einen Prinzen aus dem Mann gemacht, der schwach, verwöhnt und egoistisch gewesen war. In den Jahren danach hatte sie an das Haus gedacht, das er ihr beschrieben hatte, und sie hatte sich ausgemalt, wie ihre Tochter die breite geschwungene Treppe hinaufstieg. Das war ihre Vorstellung von Gerechtigkeit.
Jetzt war das Bild jedoch nicht mehr so klar. Nicht, nachdem sie Reichtum in einer langen schmalen Metallschatulle gesehen hatte und verstand, woher Wohlstand stammen konnte. Nicht, nachdem sie den Ausdruck in Jonas’ Augen gesehen hatte und ihr klar geworden war, welche Form seine Vorstellung von Gerechtigkeit annahm. Das hier war kein Märchen, das hier war die unschöne, erbarmungslose Wirklichkeit. Sie würde das alles noch einmal sehr genau überdenken müssen. Doch bevor sie den Plan für ihre Zukunft und für die ihrer Tochter neu aufstellen konnte, musste sie irgendwie die Gegenwart durchstehen.
Da war zum einen Jonas. Für den Moment war sie an ihn gebunden, ohne dass sie es selbst gewollt hätte. Vermutlich erging es ihm genauso. War das der einzige Grund, weshalb sie sich zu ihm hingezogen fühlte? Weil sie in dem gleichen Rätsel gefangen waren? Wenn sie eine rationale Erklärung fand, dann könnte sie damit auch diese ungewollten Bedürfnisse abschütteln, die jetzt ständig in ihr schwelten. Wenn sie eine vernünftige Erklärung fand, dann konnte sie auch endlich wieder die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen.
Doch wie sollte sie die Gefühle erklären können, die auf der schweigsamen Taxifahrt zurück zum Hotel in ihr getobt hatten? Wie sollte sie erklären, dass sie gegen das Bedürfnis hatte ankämpfen müssen, die Arme um ihn zu legen und ihm Trost zu bieten, wenn er doch mit keinem Zeichen angedeutet hatte, dass er Trost brauchte oder wollte? Es gab weder klare Antworten
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