Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
in ihren Augen, verschwand aber sofort wieder. „Ich bemühe mich, keinen Gedanken an Anwälte zu verschwenden.“
Jonas nahm ihr das Handtuch ab und tupfte damit sanft ihr Gesicht trocken. „War Faiths Vater Anwalt?“
Sie rührte sich keinen Millimeter, dennoch schien sie sich plötzlich meilenweit von ihm zurückgezogen zu haben. „Lass es einfach gut sein. Vergiss es, Jonas.“
„Du vergisst es doch auch nicht.“
„Um genau zu sein, die meiste Zeit vergesse ich es. Möglich, dass ich in den letzten Wochen wieder öfter daran gedacht habe. Aber das ist mein Problem.“
Er schlang das Handtuch um ihre Schultern, hielt die Enden fest und zog sie so zu sich heran. „Ich möchte, dass du mir davon erzählst.“
Es ist seine Stimme, dachte sie. So ruhig, so eindringlich. So überzeugend, dass sie ihm fast ihr Herz geöffnet und ausgeschüttet hätte. Als sie ihn jetzt ansah, konnte sie fast glauben, dass es ihn wirklich interessierte, dass er wirklich verstehen wollte. Und der Teil von ihr, der sich bereits in ihn verliebt hatte, brauchte es auch, dass er verstand. „Warum?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht liegt es an dem Ausdruck in deinen Augen. Ein Mann wünscht sich dann nur, diesen Ausdruck irgendwie verschwinden zu lassen.“
Ihr Kinn hob sich unmerklich. „Es besteht kein Grund, mich zu bemitleiden.“
„Ich glaube nicht, dass Mitleid hier das richtige Wort ist.“ Plötzlich von einem Gefühl der Leere und des Ausgebranntseins überwältigt, lehnte er seine Stirn an ihre. Er war es leid, gegen Dämonen zu kämpfen und nach Antworten zu suchen. „Verdammt.“
Verunsichert stand sie sehr, sehr still. „Alles in Ordnung mit dir?“
„Nein. Nein, nichts ist in Ordnung.“ Er entfernte sich von ihr, ging ein Stück den Weg entlang, bis zu einer Stelle, an der sich Unkraut mit einer leuchtend orangefarbenen Blüte durch den weißen Kies drängte. „Vieles von dem, was du heute gesagt hast, ist wahr. Das meiste von allem, was du sagst, ist wahr“, bekräftigte er. „Aber ich kann nichts daran ändern.“
„Ich weiß nicht, was du jetzt von mir hören willst.“
„Nichts.“ Entsetzlich müde rieb er sich mit den Händen übers Gesicht. „Ich versuche mit der Tatsache klarzukommen, dass mein Bruder tot ist. Dass er ermordet wurde, weil er unbedingt das schnelle Geld mit Drogen machen wollte. Er war klug, aber er hat seine Intelligenz immer für die falschen Dinge eingesetzt. Und jedes Mal, wenn ich in den Spiegel blicke, frage ich mich warum.“
Liz war zu ihm geeilt, bevor sie ihren Impuls hatte unterdrücken können. Er litt Qualen. Zum ersten Mal hatte sie den Schmerz unter der Oberfläche gesehen. Sie wusste, wie es war, mit Schmerz zu leben. „Er war anders als andere, Jonas. Ich glaube nicht, dass er ein schlechter Mensch war, nur schwach. Um deinen Bruder zu trauern ist eine Sache. Dir selbst die Schuld für seine Verfehlungen oder für das, was mit ihm passiert ist, zu geben, eine ganz andere.“
Ihm war nicht bewusst gewesen, dass er Trost brauchte. Doch als er jetzt ihre Hand auf seinem Arm spürte, löste sich ein Knoten in ihm. „Ich war immer der Einzige, der an ihn herankam, der ihn zumindest einigermaßen in der Bahn halten konnte. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem ich es einfach satthatte, für uns beide die Verantwortung zu übernehmen.“
„Glaubst du wirklich, du hättest ihn aufhalten können?“
„Vielleicht. Mit dieser Frage werde ich wohl den Rest meiner Tage leben müssen.“
„Augenblick.“ Sie packte ihn am Hemd, ähnlich, wie sie es schon heute Nachmittag getan hatte. Jetzt war von Trost keine Spur mehr zu spüren, nur Ärger stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Ihm war auch nicht bewusst gewesen, dass er das ebenso brauchte. „Ihr wart Brüder, Zwillingsbrüder. Aber ihr wart eigenständige Individuen. Jerry war kein Kind mehr, das man bei der Hand nehmen und führen konnte, auf das man ständig aufpassen musste. Er war ein erwachsener Mann, der seine eigenen Entscheidungen getroffen hat.“
„Genau das ist es ja. Jerry ist nie wirklich erwachsen geworden.“
„Aber du wurdest erwachsen“, konterte sie sofort. „Willst du dich jetzt deshalb schuldig fühlen?“
Das war es, was er die ganze Zeit über getan hatte. Er hatte sich mit dem Schuldgefühl gequält, das er nicht aufgehalten hatte, von dem er tief in seinem Herzen wusste, dass es nicht zu verhindern gewesen war. „Ich muss seine Mörder finden, Liz. Ich werde nie wieder
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