Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
durchdringend. „Gehst du auch?“
„Ich kann nicht. Das weißt du.“
„Ich kann ebenfalls nicht gehen.“ Sie schlang die Arme um ihn, presste ihre Wange an seine Schulter. Es war das erste Mal, dass sie ihm offen ihre Sehnsucht und Zuneigung zeigte. „Lass uns nach Hause gehen“, murmelte sie leise. „Lass uns einfach nur nach Hause gehen.“
10. KAPITEL
J eden Morgen, wenn Liz aufwachte, sagte sie sich, dass heute der Tag sein musste, an dem Captain Moralas anrufen und ihr versichern würde, alles sei vorbei. Und jeden Abend, wenn sie zu Bett ging und die Augen schloss, war sie sicher, dass es sich nur noch um einen weiteren Tag handeln konnte.
So verging Tag um Tag.
Und jeden Morgen, wenn Liz aufwachte, war sie sicher, dass Jonas ihr heute sagen würde, er müsse nach Philadelphia zurückkehren. Jeden Abend, wenn sie in seinen Armen einschlief, war sie überzeugt, dass es das letzte Mal sein würde.
Er blieb.
Seit über zehn Jahren hatte ihr Leben ein einziges Ziel – Erfolg. Sie hatte damit begonnen, auf den Erfolg hinzuarbeiten, um selbst zu überleben und um für ihr Kind sorgen zu können. Irgendwann hatte sie dann gemerkt, wie zufriedenstellend es war, unabhängig von anderen zu sein und für sich selbst sorgen zu können. Seit über zehn Jahren arbeitete Liz nun auf dieses Ziel hin, ohne vom Weg abzukommen. Weil ein Abweichen vom Weg Misserfolg und damit den Verlust ihrer Unabhängigkeit bedeuten konnte. Vor einem Monat war Jonas in ihrem Leben aufgetaucht und hatte sich in ihrem Haus eingenistet. Und mit diesem Zeitpunkt hatte ihre seit über zehn Jahren schnurgerade Straße begonnen, sich zu winden und zu gabeln. Die Veränderungen zu ignorieren hatte nicht funktioniert, sie zu bekämpfen hatte nichts bewirkt. Und jetzt schien es, als hätte sie keine Wahl mehr, als hätte sie überhaupt keinen Einfluss mehr darauf, in welchen Bahnen ihr Leben verlief.
Da Liz dringend etwas brauchte, das ihr Halt gab, ging sie jeden Tag in ihren Laden zur Arbeit. Stur klammerte sie sich an ihre alte Routine. Weil es der einzige in ihrem Leben verbliebene Aspekt war, bei dem sie sicher sein konnte, ihn noch unter Kontrolle zu haben. Zwar erhielt sie mit der Routine zumindest den Anschein von Ordnung in ihrem Leben aufrecht, doch ihre Gedanken konnte das nicht zur Ruhe bringen. Sie ertappte sich dabei, dass sie jeden Kunden, der ihren Laden betrat, mit Argwohn und Misstrauen beäugte. Je näher die Sommersaison rückte, desto besser lief das Geschäft. Doch jetzt schien es ihr gar nicht mehr so wichtig, den Tauchershop sieben Tage in der Woche zu öffnen, dennoch ging sie jeden Morgen und schloss die Ladentür auf.
Jonas hatte den Stoff, aus dem ihr Leben gewebt war, in die Hand genommen, an ein paar Fäden gezupft und damit alles verändert. Immerhin war Liz an den Punkt angekommen, an dem sie sich eingestehen konnte, dass nichts mehr wie früher sein würde. Doch an dem Punkt, an dem sie wusste, wie sie mit diesen Veränderungen umgehen sollte, war sie noch nicht gelangt. Wenn er ging – und sie war sicher, dass er irgendwann gehen würde –, dann musste sie bei null anfangen und wieder von Neuem lernen, ihre Sehnsüchte zu unterdrücken und ihre Träume auszublenden.
Sie würden Jerry Sharpes Mörder finden. Sie würden den Mann mit dem Messer finden. Wäre Liz nicht felsenfest davon überzeugt, hätte sie nicht Tag für Tag weitermachen können. Dennoch, selbst wenn die Gefahr vorbei und alle Fragen beantwortet waren – nichts würde mehr so sein wie früher. Jonas hatte sich in den Stoff ihres Lebens eingewebt. Wenn er ging, würde ein Loch zurückbleiben, das sie ihre ganze Willenskraft kosten würde, um es wieder zu stopfen.
Der Stoff, aus dem ihr Leben gemacht war, war auch früher schon einmal gerissen. Liz konnte sich damit trösten, dass es ihr schon einmal gelungen war, alles wieder zu flicken. Die Form hatte sich geändert, die Qualität war auch anders, aber sie hatte die Nähte und Risse wieder zusammengefügt. Ihr würde es auch ein weiteres Mal gelingen. Ihr musste es gelingen.
Doch da gab es Momente, wenn sie im Dunkel kurz vor der Morgendämmerung wach im Bett lag, ruhe- und rastlos … dann fürchtete sie, dass sie mit dem Flicken beginnen musste, noch bevor sie die Kraft dazu hatte.
Jonas spürte, dass sie sich neben ihm bewegte. Inzwischen hatte er gelernt, dass Liz nur selten ruhig schlief. Oder vielleicht schlief sie nicht mehr ruhig. Er wünschte, sie würde sich an seine
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