Heiße Rache, süße Küsse (Julia) (German Edition)
wohl glauben. Es passte ihr zwar gar nicht – aber seine Worte hatten ihr Mitgefühl geweckt.
Sie starrte auf die schwarzen Krümel auf ihrem Teller und hörte sich zu ihrer eigenen Überraschung sagen: „Meine Mutter starb, als ich neun war. Sie konnte großartig kochen, aber sie hatte keine Zeit, es mir beizubringen. Sie war immer zu beschäftigt …“ Jesses Stimme erstarb, als sie ihre Mutter vor sich sah, gestresst und gehetzt, weil sie mal wieder ein Menü für eine der unangekündigten Dinnerpartys des Hausherrn zusammenstellen musste.
Einmal, als etwas schiefgegangen war, hatte er sie, betrunken, wie er war, so hart geohrfeigt, dass sie über den Küchentisch gestürzt war und sämtliche Schüsseln und Teller heruntergerissen hatte. Jesse war von dem Lärm aufgewacht und benommen in die Küche getappt … Die Konsequenzen würde sie nie vergessen.
Es verwirrte sie, dass sie sich ausgerechnet jetzt daran erinnerte. Sie verdrängte die Bilder und gab sich gespielt munter. „Und danach habe ich es einfach nie gelernt. In der Schule war ich immer schrecklich schlecht in Hauswirtschaft.“
„Aber brillant in Mathematik und im Computerkurs?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Es hat mir einfach mehr Spaß gemacht als Kochen und Nähen.“
„Was ist mit Ihrem Vater?“
Jesse riss sich zusammen, um sich nichts anmerken zu lassen. „Es gab nur meine Mutter“, behauptete sie. „Meinen Vater habe ich nie kennengelernt.“
Das stimmte sogar. Sie war immer das unerwünschte Balg gewesen, das verborgen werden musste. Bis sie die Unverfrorenheit besessen hatte, aus ihrem Versteck hervorzukommen …
„Sind Sie sicher, dass Sie nichts hiervon wollen?“
Sie schaute auf. Luc stand beim Herd und lud sich eine zweite Portion Rührei auf. Jesse schüttelte den Kopf. Da saßen sie doch tatsächlich hier zusammen und unterhielten sich gemütlich! Als Luc sich wieder setzte und weiter aß, stand sie auf und spülte ihren Teller ab. Sie fühlte sich rastlos und nervös, und das Schlimmste war, sie hatte das Gefühl, gleich in Tränen auszubrechen.
Ohne einen Ton zu sagen, verließ sie die Küche, mit geradem Rücken und so würdevoll wie möglich – für den Fall, dass er ihr vielleicht nachschauen würde.
Sie musste auf der Hut sein, durfte weder auf Luc Sanchis’ freundliche Seite hereinfallen noch sich von den Geschichten seiner schweren Kindheit anrühren lassen.
Sie wäre eine Närrin, würde sie auch nur eine Sekunde lang vergessen, dass er ständig nach einer Möglichkeit suchte, von der Insel wegzukommen, sobald sich auch nur die kleinste Chance bot.
Am Abend saß Luc auf der Terrasse hinter der Küche. Er hatte soeben ein perfekt zubereitetes Steak mit einer Sauce Bernaise und Salat verspeist und trank jetzt ein weiteres Glas des Merlots, den er geöffnet hatte. Er musste zugeben, dass dieses erzwungene Nichtstun nicht allzu unwillkommen war. Es war lange her, seit er so viel Zeit für sich zur Verfügung gehabt hatte. Er hatte schon ewig nicht mehr selbst gekocht und vergessen, wie viel Spaß es ihm machte.
Aber er hasste es, nicht Herr der Lage zu sein. Er runzelte die Stirn. Als Jesse heute Morgen so nonchalant aus der Küche geschlendert war, hätte er ihr am liebsten den Kaffeebecher nachgeworfen und in Tausend Splitter zerschellen lassen. So wie er diesen Panzer der Unnahbarkeit, mit dem sie sich umgab, zersprengen wollte.
Sie löste alle möglichen Gefühle in ihm aus, und so ungern er es auch zugab … Ärger über seine Entführung stand dabei keineswegs ganz oben auf der Liste.
Luc drehte den Kopf, als er ein Geräusch hörte. Jesse war in die Küche gekommen. Den ganzen Tag hatte sie ihn gemieden. Wenn er ihre Unterhaltung heute Morgen überdachte, dann schien es ihm, dass nicht nur er wesentlich mehr als beabsichtigt von sich preisgegeben hatte. Er hatte doch gesehen, wie verkrampft und angespannt sie reagiert hatte, als die Rede auf ihren Vater gekommen war. Das war ganz offensichtlich ein wunder Punkt, und den würde er ab sofort nutzen, um sie zu schwächen.
Sie hatte ihn nicht auf der Terrasse bemerkt, und so zog er sich noch weiter in den Schatten zurück, um sie beobachten zu können. Jesse trug zu dem Top mittlerweile Shorts. Jetzt öffnete sie den Kühlschrank, nahm die Schale mit seiner Sauce heraus und schnupperte daran. Als sie die Nase krauste, musste er lächeln. Fast hatte er Mitleid mit ihr, als sie die Suche schließlich aufgab und, einen Becher Jogurt in der Hand,
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