Heiße Schatten
Jeremy, mein Assistent und Beikoch, wundert sich schon. Er ist ausgebildeter Jungkoch und der beste Mitarbeiter, den ich je hatte. Eben noch hat er nachgefragt. »Alles klar, Val? Warum so gute Laune in unserer Küche?«
Das hab ich ihm natürlich nicht verraten. Stattdessen hat er richtig viel zu tun bekommen: »Kein Kommentar, junger Koch! Geh bitte die Gewürze nachfüllen und setz das Zitronenöl an. Dann den spanischen Pfeffer mahlen, wir brauchen etwa fünfzig Gramm. Nicht zu viel von den gelben Chili. Ohne Salz. Und mach bitte noch das Bergamotte-Chutney. Weißt du noch, wie das geht?«
Natürlich weiß er es, wir hatten gestern erst das Rezept durchgesprochen. Mit dem Auftrag habe ich ihn jetzt erst mal ans andere Ende der Lagerräume zu Tätigkeiten geschickt, die mindestens eine Stunde dauern werden.
Lieber keine Fragen. Sonst muss ich am Ende über die Antworten nachdenken und würde vielleicht zu Antworten kommen, die mir nicht gefallen. Ich bin fröhlichst verliebt und freue mich auf unsere nächste Begegnung wie ein Kind auf Weihnachten. Natürlich habe ich Zweifel, aber ich bemühe mich nach Kräften, die warnende kleine Stimme in mir zu ignorieren. Ich will meinen Glückszustand noch nicht hergeben. Zu ärgerlich, jetzt habe ich doch angefangen, nachzudenken …
Wir haben uns geküsst – haben wir jetzt eine Beziehung? Führe ich eine Beziehung mit einem deutlich älteren, reichen, völlig unabhängigen Mann? Wahrscheinlich nicht. Sonst hätten wir viel mehr Kontakt, er wäre aufmerksam, interessiert und würde sich nicht einfach einige Tage gar nicht melden. Was sieht er in mir? Hatte da jemand einfach nur einen Hang zum Küchenpersonal? Keine schöne Vorstellung.
Nachdenken ist nicht gut, stelle ich fest. Denn dann muss man sich auch den schwierigen Gedanken stellen. Zu spät. Jetzt ist es passiert. Es ist wohl an der Zeit zu fragen, wie er die Sache sieht. Ich mag es nicht, wenn meine Gefühle Wellen schlagen. Jetzt sind sie gerade ganz oben. Ich ahne schon, was irgendwann kommen könnte.
Wie ich mich kenne, werde ich wohl nachfragen. Aber ist das auch klug? Vielleicht ist es besser, der Illusion und den Möglichkeiten Zeit zu geben, sich zu bewähren. Hm. Ist es denn eine Illusion? Was will er? Und was will ich eigentlich? Darf ich überhaupt schon hoffen, dass aus einem Kuss mit meinem Arbeitgeber eine Beziehung wird? Soll ich kündigen?
Jetzt stehe ich seinem digitalen Bild gegenüber. Eischnee? Ach ja – der Cocktail und die Blasen. Ich hatte in der Tat eine Lösung gefunden und verkünde stolz:
»Ich lasse auf dem Schaum eine Kugel Prosecco-Sorbet schwimmen, das schäumt von selber, und dann prickelt es beim Lutschen sogar noch an der Lippe.« Ich werde schon wieder übermütig, wie ich vergnügt feststelle.
Konstantin lässt sich darauf ein: »Und was prickelt sonst noch auf deiner Lippe?«
»Gar nichts, Bildschirme prickeln nicht. Halte mich wohl besser an den Prosecco«, provoziere ich. In diesem Moment rutscht mir der Ölkrug ab, aus dem ich eine Steingutkaraffe nachgefüllt habe. Das helle Mandelöl spritzt mir auf die weiße Bluse und läuft mir breitflächig über den Ausschnitt.
»Hoppla, schöner BH«, amüsiert sich mein digitales Gegenüber.
Leider wird selbst der dickste weiße Stoff durchsichtig, wenn er nass wird. Heute trage ich einen dunkelblauen, seidig glänzenden BH mit viel Spitze und einem Nackenträger – wir erwarten keine Gäste, und er ist sehr bequem. Ein klein wenig 50er-Jahre-Chic – man weiß ja nie, wie der Tag endet. Jetzt stehe ich jedenfalls erst einmal ziemlich geölt vor ihm.
»Zieh die Bluse aus!« Sein Gesicht füllt den ganzen Bildschirm aus. Habe ich richtig gehört? »Ich will deinen BH sehen«, legt er nach.
Langsam öffne ich die Knöpfe. »Dreh dich langsam«, fordert er. Das Öl glänzt und fühlt sich gut an. Das vertraute Prickeln erfasst meinen ganzen Körper. Es ist nicht die Kälte der nassen Bluse, die dafür sorgt, dass sich meine Brustspitzen aufrichten. »Du bist wunderschön.«
Ich sehe mich selber in dem kleinen zweiten Fenster im Bildschirm, sehe darin, was er sieht, nur viel kleiner. Ich stehe jetzt ohne Bluse im BH vor ihm und drehe meinen Busen in die Kamera. Das Öl lässt ihn glänzen, größer wirken, in den Vordergrund rücken. Es macht mich an, dass er mich so sieht und mich doch nicht anfassen kann.
»Verteil das Öl und berühre deine Brüste«, sagt er. Ich lasse mich darauf ein. Ich sehe mich selber, wie
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