Heiße Sonne der Verfuehrung
zurückkehrte.
»Die Gesellschaft will diese Menschen nicht, hat ihnen schon längst den Rücken zugekehrt, und sie haben sich mir und meiner Lebensweise zugewendet, und zwar für die Chance auf ein gutes Leben, das ihnen einst durch die starken Hände der Sklavenhändler geraubt worden war.«
»Sind das alle, die du befreit hast?« Sie winkte in Richtung der Stadtbewohner.
Er schüttelte seinen Kopf. »Die meisten sind nach Hause zurückgekehrt. Diejenigen, die das nicht wollten, konnten hierbleiben. Wir teilen uns das Land zusammen mit den Eingeborenen.« Es lag Bedacht in seinem Tonfall, als er sich umdrehte, seine Hüfte gegen die Reling stützte und ihr sein Gesicht zukehrte. »Sie leben in den Bergen, und ihnen ist es egal, nur ein kleiner Teil von Sanctuary zu sein, sie missgönnen uns nicht den Ort zum Leben und Arbeiten.«
»Du hast den Zorn von Königen und Sultanen heraufbeschworen, indem du ihnen ihre ›Fracht‹ gestohlen hast.« Das Wort »Fracht« war gefärbt von ihrer Empörung.
»Ja«, war alles, was Ran darauf sagte, während er in ihrem Blick versank.
»Das ist eine Eigenschaft an dir, die ich bewundere, Ransom. Die Stärke deiner Überzeugung.«
»Und das, obwohl sie dir Schmerzen verursacht hat?«
»Das ist Vergangenheit.« Sie zuckte ein wenig mit den Schultern. »Dort zu leben heißt, in Irrtümern zu leben. Ich kann einen solchen Unsinn nicht ausstehen.« Das war eine Warnung, subtil und bestimmt, und in Ran drängten sich Schuldgefühle herauf.
»Sanctuary ist eine Insel«, platzte es aus ihm heraus. »Eine In …« Sie schaute auf das Land und versuchte, die Lage zu erkennen. Sie kam sich töricht vor, denn sie hatte es für die Küste von Guinea gehalten. Trotzdem würde sie es niemals bereuen, sich ihm hingegeben zu haben, niemals. Sie befand sich nun von der Außenwelt abgeschnitten, Hunderte von Meilen von Rabat und ihrem Vater entfernt!
»Warum hast du es mir nicht gesagt?«
Er zuckte beinahe jungenhaft mit den Schultern. »Ich konnte die Worte nicht über meine Lippen bringen«, beeilte er sich zu sagen, »denn ich habe dich von deiner Suche abgehalten, indem ich dich an Bord genommen habe, und nun halte ich dich wegen meiner Probleme erneut davon ab.« Er neigte seinen Kopf in Richtung des beschädigten Schiffes. »Es wird Wochen dauern, bevor ich einem Schiff die Erlaubnis geben kann, fortzusegeln.«
Sie schlug mit ihrem Handballen auf seine Brust. »Es sind nun schon über neun Jahre vergangen, da werden ein paar Wochen mehr wohl auch noch zu verkraften sein.« Er blinzelte. »Für einen gelehrten Mann spielst du viel zu oft den Dummkopf«, sagte sie leise, und seine Schultern sackten ab. Wie viel mehr würde sie ihm noch vergeben?
»Mem sahib. Mem sahib! « Aurora drehte sich um, und Ran konnte sehen, wie ihr Gesicht sich erhellte, als Dahrein stolpernd vor ihr zum Stehen kann.
»Aufgeregt, was?« Als er nicht aufhörte, von einem Fuß auf den anderen zu hüpfen, packte sie ihn bei seiner Schulter.
»Oh, mem sahib, wartet nur, bis Ihr von Léonies Essen probiert habt. Ich kann das geschmacklose Zeug nicht mehr sehen.« Aurora und Ran schauten einander grinsend an. Wie typisch für einen Jungen, mit seinem Magen zu denken. »Ihr werdet unsere Insel lieben. Sie ist sehr sauber und kühl … und ich werde Euch alles zeigen«, bot er voller Stolz an.
Aurora widersprach ihm nicht. »Dann machen wir uns lieber gleich auf den Weg, bevor du noch aus deiner Haut heraushüpfst«, lachte sie, hob ihren Beutel auf und nahm seine Begleitung an.
Ran verschränkte die Arme vor seiner Brust und beobachtete wohlwollend, wie sie den Jungen beruhigte und ihm dann das Gefühl vermittelte, ein Mann zu sein, indem sie seine Hilfestellung annahm, obwohl jeder an Bord wusste, dass sie wie eine Katze klettern konnte. Sie stieg hinunter, und ihr Blick fing kurz den seinen ein, bevor sie aus seinem Sichtfeld verschwand.
Er runzelte die Stirn und starrte über die Reling, und plötzlich schlug sein Herz schneller. Ihm war die Traurigkeit in ihrem Gesichtsausdruck nicht entgangen, und er hatte plötzlich das Gefühl, als hätte sie sich durch diesen einen Blick von ihm getrennt. Das verunsicherte ihn.
Shokai bewegte sich lautlos zur Reling hinüber und stemmte dann seine Hände in seine schmalen Hüften, als er mit seinem üblichen Widerwillen auf den großen Höhenunterschied starrte; dann murmelte er: »Stehle Geld, und du bist ein Dieb, stehle Land, und du bist ein König.«
Rans
Weitere Kostenlose Bücher