Heiße Sonne der Verfuehrung
Messer davon. Es landete in einem Holzblock, der am Deckenbalken befestigt war und dessen Zustand von stundenlangem Üben zeugte. Bei Gott, Shokai hatte keine Ahnung, um was er ihn da bat!
»Mylord …«
»Nein!« Ran stürmte durch den Raum und zog den Dolch mit einem Ruck aus dem Holz. »Sucht nach jemand anderem, der sich für sie einsetzt, alter Mann. Mir ist die Lust auf Befreiungsaktionen vergangen.«
»Aber ein Geist kann nicht frei sein in einem goldenen Käfig.«
Ran ließ seinen Kopf nach hinten sinken und stöhnte. Shokais Worte trafen ihn wie ein durchdringender Schlag. Der goldene Käfig. Der hareem. Der Gedanke, dass Aurora auch nur eine Sekunde verschleiert und versteckt als sexuelles Spielzeug für den Beduinen dort verbringen musste, verursachte einen bitteren Geschmack in seinem Mund. Beim großen Neptun, er würde die Stadt auseinandernehmen auf der Suche nach ihr, wenn derjenige, der sie gefangen genommen hatte, ein anderer wäre. Aber mit dem Beduinen zu verhandeln …
»Nein. Ich kann nicht.« Die Wunden, die seine Vergangenheit hinterlassen hatte, aufzureißen für eine Frau, die er kaum kannte, das war undenkbar.
»Dann überlasst Ihr dem Wüstenprinzen also freiwillig einen so leuchtenden Stern?«, forderte Domingo ihn heraus; sein Captain blieb jedoch stumm. »Madre de dios, Ihr kennt doch die Sitten des Korans! Er wird Anspruch auf sie erheben und sie wird verloren sein hinter seinen Mauern.« Rans Gesicht verdüsterte sich vor gärender Wut. Domingo verlieh seinem Anliegen Nachdruck. »Nun gut, vielleicht wird sie ja auch glücklich sein darüber, von dem berühmten Prinzen verfuhrt zu werden, denn man sagt ihm nach, keine Frau widerstehe seinem …«
»Genug! Ich scher mich einen Dreck um Gerüchte. Und Ihr, Avilar«, Ran stieß die Klinge in Richtung des Spaniers, »überschreitet Eure Kompetenzen!«
Domingos Gesicht blieb ungerührt, aber innerlich wunderte er sich doch über diesen heftigen Gefühlsausbruch. Ransom Montegomery war normalerweise ruhig, kontrolliert, aber wenn es um etwas ging, gefährlich rücksichtslos.
»Jungfrauen und Fische halten sich nicht lange«, goss Shokai Öl auf Rans Unentschlossenheit. Obwohl Ran bezweifelte, dass Aurora noch unschuldig war, so ließ die Vorstellung von Rahman, wie er sein Können an ihr ausübte, ungezügelte Wut in ihm hochkommen.
Shokai schwankte und fiel jäh zu Boden. Ran eilte zu ihm, drehte ihn sanft um und schlitzte mit seiner Klinge den Umhang auf. Bei dieser Gelegenheit entdeckte er die Peitschenstriemen auf der mageren Brust des alten Mannes. Einen Fluch ausstoßend brüllte er nach seinem Schiffsarzt.
»Ransom«, stupste Domingo ihn an, und als Ran dem Blick des Spaniers folgte, sah er die blutigen Fußtritte auf Boden und Teppich.
Er wendete seine Aufmerksamkeit Shokais Füßen zu. Die Fußsohlen waren völlig wund.
»Er muss den ganzen Weg zu Fuß gelaufen sein«, flüsterte Domingo ehrfurchtsvoll.
»Selbst ein Narr wird weise, wenn er verletzt ist.« Shokais Stimme war schwach und heiser, als er seine runzlige Hand auf Rans Arm legte. »Verurteilt das Verbrechen und nicht immer nur den Verbrecher.«
»Wollt Ihr damit sagen, dass Abduli nicht dafür verantwortlich gemacht werden kann?«
»Große Niederträchtigkeit wird oft Loyalität genannt, Mylord.«
Ran war sich nicht sicher, ob der Kommentar des alten Mannes ihn selbst oder Abdulis Männer freisprach. Der Schiffsarzt kam und Ran gab den Befehl, sich um den alten Mann zu kümmern.
Als Shokai vorsichtig aus der Kabine gebracht wurde, stand Ransom in der Nähe des Achterfensters; sein Blick klammerte sich an den vollen Mond.
Er sah dort die Frau, für deren Freiheit er jeden herausfordern würde.
Ich bin schon wieder schwach geworden wegen dir, kleine Lady. Und es ist mir noch dazu völlig gleichgültig.
»In diesem Hafen sind wir ungeschützt, Domingo. Bringt die Lion in Gewässer jenseits von Tanger und bleibt dort mindestens fünf Nächte vor Anker. Lauft dann zwei Meilen westlich einen Hafen an. Wir werden dort auf euch warten.«
Domingo verbarg sein zufriedenes Gesicht, denn er wusste, dass sein Captain nicht in guter Stimmung war. Trotzdem konnte er einer letzten Stichelei nicht widerstehen. »Sagt mir, Ran, was war es, das Eure Meinung geändert hat? War es das, was diese mutige kleine Taube mit Euch machen würde, wenn ihr Beschützer sterben würde, oder war es die Vorstellung, wie sie sich unter Abduli windet, und zwar mit mehr als nur ihren
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