Heißer als Feuer: Roman (German Edition)
Tür.
»Dad, war mal wieder toll hier. Echt schade, dass ich nicht da bin, wenn du eure selbst geangelten Fische grillst.«
»Dann eben das nächste Mal«, grinste John. Er umarmte seinen Sohn und klopfte ihm mit väterlichem Stolz auf den Rücken.
»Celia.« Ian schloss Shays Mutter in eine innige Umarmung. »Du bist das Beste, was meinem alten Herrn passieren konnte«, meinte er flapsig. »Das soll er sich gefälligst hinter die Ohren schreiben.« Er drückte ihr einen geräuschvollen Schmatzer auf die Wange.
»Shay.« Beim Klang ihres Namens schlug ihr das Herz bis zum Hals. »War nett, dich kennen zu lernen.« Er hielt ihr die Hand hin, die sie mechanisch ergriff und kurz schüttelte, bevor sie sie wieder losließ.
Er wandte sich ab und ging zur Tür, wo er sich nach seinem Koffer bückte. Unvermittelt kämpfte Shay mit dem Impuls, ihm zu folgen und sich in seine Arme zu stürzen. Was sie natürlich nicht tat. Das Wochenende war vorbei. Ziemlich unwahrscheinlich, dass sie sich je wieder über den Weg laufen würden.
»Fahr vorsichtig«, rief John seinem Sohn zu, während sie draußen standen und zum Abschied winkten.
Als sein Wagen in einer dunklen Staubwolke verschwand, kehrten Celia und John in die Küche zurück. Celias Gesichtszüge entglitten, als sie sah, dass Shay wie ein Häufchen Elend am Küchentresen lehnte. »Shay, ist dir immer noch übel?«
Ihre Tochter schüttelte geistesabwesend den Kopf und rappelte sich widerwillig auf. Ihre Füße schienen im Boden einzementiert. »Nein, ich fühl mich nur ein bisschen schlapp. Ich glaub, ich geh noch mal nach oben und leg mich ein Weilchen hin. Dann muss ich los.«
Sie fuhr am Nachmittag.Vorher hatte Celia sie noch zu Rührei und trockenem Toast verdonnert. Dazu musste sie zwei Tassen Tee mit Honig trinken.
Auf der Rückfahrt unternahm Shay den Versuch einer Selbstdiagnose, womit sie kläglich scheiterte. Ihre Misere ließ sich mit bloßer Katerstimmung nicht erklären. Ihr war mit einem Mal alles fürchterlich egal. Einfach zu blöd das Ganze. Sie war deprimiert, antriebslos, fühlte sich überfordert, ausgebrannt. Das Leben konnte einem verdammt übel mitspielen. Ob Ian Douglas womöglich nicht ganz unschuldig an ihrer desolaten Gemütsverfassung war?, räsonierte sie unterbewusst, verwarf den Gedanken jedoch gleich wieder.
Am Montag ging sie wieder arbeiten, nachdem sie sich vorher eingetrichtert hatte, dass ihr das Wochenende auf dem Land irrsinnig gutgetan hätte. Da sie bis auf Weiteres keine Modelaufträge hatte, schleppte sie sich mit Leichenbittermiene in die Galerie.
Hans Vandiveer, ein Strich in der Landschaft mit affektiertem Gehabe und dandyhaftem Menjoubärtchen, grinste gönnerhaft. »Lächeln, Mädchen, lächeln, sonst schanze ich Ihnen alle schwierigen Kunden zu«, drohte er aufgeräumt und fuchtelte mit seinem knochigen Zeigefinger vor Shays Nase herum.
Obwohl sie seit drei Jahren in seiner Galerie jobbte, wusste sie nicht viel mehr über ihren Chef, als dass er allein lebte und vier Katzen hatte, von denen er leidenschaftlich gern erzählte, so wie andere Leute von ihren Kindern. Eine feste Bindung – ob zu einem Mann oder zu einer Frau – hatte er noch nie erwähnt. Und Shay mochte ihn auch nicht danach fragen. Sie war nicht neugierig. Er war ein angenehmer Arbeitgeber, bis auf seine Manie, dass die Ausstellungs- und Lagerräume immer tipptopp auszusehen hatten.
Aufgrund seines zwanghaften Sauberkeitsfimmels hatte er Shay wieder einmal gebeten, die Regale abzustauben. Folglich stand sie an jenem Tag auf einer Leiter und polierte preiswerte Reproduktionen ausgesuchter Glasskulpturen von Lalique und Stuben. Es war Mitte August, sechs Wochen nach dem Wochenende auf dem Land. In den Schaufenstern der Geschäfte klebten Hinweistransparente mit SCHULE HAT BEGONNEN. Die Witterung war zwar immer noch sehr mild, aber es war bereits merklich abgekühlt. Der Herbst hielt allmählich Einzug.
Seit ihrem Besuch Ende Juni hatte Shay mindestens einmal in der Woche mit ihrer Mutter gesprochen. Neulich hatte Celia bei ihr angerufen und ihr mitgeteilt, dass sie und John wieder in Trenton seien.
»Wir sind ein paar Tage länger in unserem Cottage geblieben.«
»Das kann ich euch nicht verdenken. Die Landschaft ist wirklich traumhaft.«
»Weißt du, was Ian erzählt hat? Er ist an dem Sonntag zwar noch rechtzeitig vor dem Gottesdienst in der Kirche angekommen, aber dummerweise war die Klimaanlage ausgefallen, und im Pfarrsaal war es
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