Heißer als Feuer: Roman (German Edition)
und auch wenn nichts passiert war – nicht viel jedenfalls -, hatte er eine Vorbildfunktion zu erfüllen. Auf seine Reputation durfte nicht der Hauch eines Zweifels fallen. Seine Haltung war integer, aus allem, was er sagte und tat, sprach die Liebe zu seinem Beruf. Er lebte für seine Arbeit. Und sie hätte ihn mit ihrem dämlichen Verhalten in ernste Schwierigkeiten bringen können.
Sie hatte ihn in seinem Stolz verletzt. Hatte ihn in einen inneren Konflikt gestürzt, obwohl ihn nicht die geringste Schuld an dem Vorfall traf. Immerhin hatte sie ihr Opfer im Schlaf überrumpelt, sah Shay geknickt ein. Dessen ungeachtet war er ein Mann, der jede Situation unter Kontrolle wissen wollte und nichts dem Zufall überließ, vor allem soweit es Frauen betraf. Sie hatte ihm ganz rigoros die Initiative entrissen, vermutlich war er auch deswegen sauer auf sie.
Es kostete sie einige Überwindung, die Küche zu betreten. Sie atmete tief durch, blendete ihren letzten Rest Stolz und ihre Skrupel aus, drückte die Klinke hinunter und betrat den Raum. Die leise geführte Unterhaltung endete abrupt. Oho, es herrschte verdammt dicke Luft. Hätte sie doch bloß alles rückgängig machen können! Shay tat es plötzlich irrsinnig leid, dass sie ihrer Mutter und ihrem Stiefvater das Wochenende ruiniert hatte.
In der angespannten Atmosphäre ging sie zu der Kaffeekanne, die auf der Wärmeplatte stand. Ihre Hand zitterte verdächtig, dennoch gelang es ihr, sich einen halben Becher einzugießen. Sie nippte vorsichtig daran. Nach einem weiteren Schluck drehte sie sich zu den dreien um.
»Es tut mir aufrichtig leid. Ich hab Mist gebaut, bitte entschuldigt.« John wich ihrem Blick aus, als sie hilfesuchend zu ihm schaute. »Ich … ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich euch das eigentlich superschöne Wochenende kaputtgemacht habe.« Von wegen superschön! Sie hatte es scheußlich gefunden, aber das brauchte sie den anderen weiß Gott nicht auf die Nase zu binden. »Mom, verzeih mir, dass ich dich im Beisein deiner neuen Familie enttäuscht habe.« Sie fixierte irgendeinen imaginären Punkt oberhalb von Ians rechter Schulter und fuhr fort: »Sie kann wirklich nichts dafür, dass ich mich so bescheuert benommen hab. Mom hat nichts unversucht gelassen, eine Dame aus mir zu machen, mit Feingefühl und perfekten Umgangsformen und so. Damit ist sie bei mir leider auf Granit gestoßen.«
»Shay, Liebes.« Ihre Mutter sprang auf und umarmte sie. »Ich liebe dich so, wie du bist. Du musst dich nicht entschuldigen. Du handelst eben manchmal impulsiv und ohne dir über die Konsequenzen im Klaren zu sein.«
»Mmh, das kannst du laut sagen.«
Sie strich ihrer Mutter begütigend über den Arm und drückte sie sanft zurück auf ihren Stuhl. »Reverend Douglas … ähm … Ian, ich hab blöderweise gestern Abend noch die Flasche Wein leer gemacht, nachdem du nach oben gegangen warst. Ziemlich angeschickert fand ich die Idee grandios, in dein Bett zu krie…«
Sie stockte beschämt und suchte zum ersten Mal seinen Blick. Und war geplättet, als sie weder Kritik noch Ärger in seinen Zügen las. Nicht die Spur, nur ein mildes Aufblitzen seiner tiefblauen Augen. Sie hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte.
»Ich hab schlicht überreagiert. Das war nicht richtig von mir«, meinte er schroff. »Was heute Nacht passiert ist, musst du mit dir ausmachen. Das mit heute Morgen hab ich mir selbst zuzuschreiben«, schob er nach, seine Stimme eine Idee weicher. »Zweifellos hab ich dich im Schlaf geküsst. Entschuldige, dass ich die Situation ausgenutzt habe.«
Sie blinzelte die Tränen weg, die sich heiß in ihre Augen stahlen, und starrte ihn entgeistert an. Das klang ja so, als würde er die Initiative an ihrem erotischen Vorspiel – anders konnte man es wahrhaftig nicht nennen – voll auf seine Kappe nehmen. Eigenartig, nachdem er das ganze Wochenende an ihr herumgenörgelt hatte, nahm er sie jetzt großzügig in Schutz? Ihre Augen versanken in seinen. Entdeckte sie da etwa einen Funken Verständnis, oder hätte sie es lediglich gerne gesehen?
Er schob seinen Stuhl zurück. »Ich muss los, sonst komm ich zu spät in die Kirche.« Er grinste zu John und Celia, die erkennbar erleichtert schienen, dass der Disput zwischen ihren Kindern aus der Welt war.
Shay realisierte, dass er einen dunkelgrauen Anzug mit Weste trug, darunter ein weißes Hemd mit einer dunklen, dezent gemusterten Krawatte. Sein Koffer stand griffbereit neben der
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