Heißer Engel
Gedanken waren noch immer vollkommen ungeordnet.
Sie gewann etwas Zeit, indem sie durch ihr persönliches Telefonbüchlein blätterte, das sie von ihrem Schreibtisch mitgenommen hatte. Unwillkürlich schloss sie die Augen, als sie an all die Papiere dachte, die sie noch abtippen musste – und alle waren grau vor Ruß. Wie ein so kleines Feuer einen solchen Schaden hatte anrichten können, war ihr noch immer nicht klar. Im Augenblick schien ihre Welt sich immer schneller um sie herum aufzulösen, und ihre Alternativen fielen nach und nach weg, bis ihr nur noch eine Möglichkeit blieb: Sie brauchte Derek. Die Vorstellung machte ihr weniger Angst als noch vor einer Woche.
Entschlossen, nicht länger zu zögern, fand sie Dereks Büronummer und wählte sie. Eine Sekretärin meldete sich.
Angel räusperte sich. “Ich würde gern mit Derek Carter sprechen.”
Eine sehr höfliche Stimme lehnte ihre Bitte ab. “Es tut mir leid, Ma’am. Mr Carter kann Ihren Anruf nicht entgegennehmen.”
Um sich zu beruhigen, atmete Angel einmal tief durch und versuchte, sich zusammenzureißen. Eine Sekretärin anzuschreien würde ihr nicht weiterhelfen. “Sie verstehen nicht. Ich
muss
mit ihm sprechen. Es ist ein … ein Notfall.”
Es entstand ein winziges Zögern, ehe die Sekretärin sagte: “Einen Augenblick, bitte.”
Doch es war nicht Derek, der an den Apparat kam. Angel erkannte die ungeduldige Stimme nicht wieder, aber auf die Nachfrage des Mannes hin wiederholte sie ihre Bitte.
Misstrauen schlich sich in seine Stimme, als er fragte: “Wer ist da?”
Weil sie verunsichert und nervös war, antwortete Angel, ohne groß nachzudenken. “Angel Morris.”
Ein erstauntes Schweigen folgte, dann ein raues Lachen, das schnell unterdrückt wurde. “So, so. Es tut mir leid, dass ich es Ihnen mitteilen muss, Herzchen. Aber Derek Carter ist tot.” Wieder entstand ein kurzes Schweigen, und Angel konnte ihr eigenes Herz schlagen hören. Dann fügte er hinzu: “Vielleicht kann ich Ihnen helfen? Was brauchen Sie?”
Angel ließ den Telefonhörer fallen, als ihr Herz sich vor Panik überschlug. Sie konnte nicht mehr richtig durchatmen. Mick blickte sie stirnrunzelnd an und nahm den Hörer auf. “Angel?”
Sie schüttelte den Kopf und erhob sich langsam. Ihr war bewusst, dass sie weiß wie die Wand war und dass ihr Atem zu schnell ging. Es konnte nicht wahr sein; es war wahrscheinlich Teil der Drohungen, ein teuflisches Spiel, um sie zu quälen und zu verwirren.
Eine reinigende Welle der Wut durchströmte sie. Erst die Schäden an ihrem Apartment und jetzt dieser widerwärtige Scherz. Sie weigerte sich zu glauben, dass es mehr gewesen war.
Mick wollte etwas ins Telefon sagen, doch Angel riss ihm den Hörer aus der Hand und knallte ihn auf die Gabel. “Nein. Sprich nicht mehr mit ihm.”
“Mit ihm? Was ist los, Angel?”
Angespannt und wütend ging sie vor Mick auf und ab. “Er hat gesagt, Derek wäre tot, aber ich weiß, dass das nicht wahr sein kann! Es kann nicht wahr sein.”
Micks Blick verfinsterte sich. Sein Gesicht wurde vor Verwirrung und Besorgnis blass. “Natürlich ist es das nicht.” Einen Moment lang wirkte er unsicher, ehe Entschlossenheit alle anderen Emotionen auf seinem Gesicht verdrängte. “Komm schon.” Er packte Angel fest am Arm und zog sie hinter sich her.
“Wohin gehen wir?”
“In seine Firma. Du wirst mit eigenen Augen sehen, dass es Derek gut geht, und dann wirst du ihm alles erzählen. Das alles fängt allmählich an, sehr seltsam zu werden.”
“Ja.” Angel nickte. Über ihre nicht zusammenpassenden Kleider, ihr zerzaustes Haar oder ihr rußverschmiertes Gesicht machte sie sich im Augenblick keine Gedanken. Sie wollte einfach nur Derek sehen – lebendig und wohlbehalten.
Ihr Verhalten war vielsagend, doch sie wollte sich nicht näher damit befassen. Es ging ihm gut. Sie war sich sicher, dass es ihm gut ging. Ihre Hände zitterten vor Wut, und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie Grayson in eine Decke einwickelte und Mick aus der Wohnung folgte. Sobald sie wusste, dass es Teil der Drohungen war und dass mit Derek in Wahrheit alles in Ordnung war, würde sie ihm alles erzählen.
Sie würde nie wieder an ihm zweifeln.
Dane sah in die ernsten Gesichter, die ihn anblickten. Er wusste, dass seine Mutter das kleine Treffen, das er einberufen hatte, nicht guthieß, aber bisher hatte sie sich ruhig verhalten. Schon das allein verwirrte ihn, weil seine Mutter eigentlich kein
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