Heißer Winter in Texas
wollte es auch gar nicht zu
genau wissen.
Ich betrat den Fahrstuhl, stellte mich an die
Rückwand und wartete. Nichts geschah. Er rührte sich
nicht. Ich biß die Zähne zusammen, entschlossen, nicht
als erste den Mund aufzumachen. Wir blieben eine
kleine Ewigkeit so stehen, bevor er schließlich fragte:
»Stockwerk, bitte?«
Ich fühlte, wie meine Hände sich öffneten und
schlossen, und ertappte mich dabei, daß ich verlangend
seinen schmalen mageren Nacken musterte. Es war
nämlich so, daß ich an wenigstens fünf Morgen in jeder
Woche der letzten fünfzehn Jahre diesen Fahrstuhl
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betreten hatte, und Tag für Tag fragte er mich, in
welches Stockwerk ich wollte. Nach zwei
Arbeitswochen hatte ich beschlossen, die Routine zu
durchbrechen, indem ich an Bord sprang und »Acht,
bitte« flötete, bevor er etwas sagen konnte. Aber als ich
das tat, fuhr er mich an, er kenne mein Stockwerk
genau. Dann knurrte er etwas über gewisse Leute, die
glaubten, nur weil gewisse andere Leute es bloß zum
Fahrstuhlführer
gebracht
hätten,
müßten
sie
zwangsläufig blöd sein.
Sobald er die Tür zugeknallt und den Hebel nach
oben gedrückt hatte, würde er mir irgendeine besonders
deprimierende Geschichte aus seinem häuslichen Leben
erzählen.
»Meine Frau hat geftern abend daf Badepfimmer
waubergemacht und auf Verwehen meine Pfähne in die
Toilette geworfen. Wie lagen in Klopapier gewickelt
aufm Waffbeckenrand, und wie hat wie genommen und
in die Toilette geworfen und die Fpülung gepfogen,
bevor wie ef merkte. Wie wollte den Klempner holen,
damit er mir die Dinger wieder raufholt, aber ich hab
ihr gewagt, daf ich die verflikften Dinger nicht mehr
will, wenn wie mal in der Toilette waren. Würden Wie
daf noch wollen?« fragte er.
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Ich hatte gewußt, daß etwas an ihm anders war. Sein
Mund war in sein Gesicht gesunken, und er sah aus, als
hätte er einen Trichter verschluckt.
Mit einem Ruck hielten wir im achten Stock. Ich
begriff, daß er eigentlich eine Antwort erwartete, also
murmelte ich ein paar verständnisvolle Worte und
klopfte ihm auf die Schulter. Ich nahm an, daß mir allein
dieses Verhalten einen Platz im Himmel sichern dürfte.
(Abgesehen von all den anderen netten Dingen, die ich
in meinem Leben vollbracht hatte. Ich ging nicht
wirklich davon aus, schlecht dazustehen, wenn ich an
der Himmelspforte Rechenschaft ablegen müßte, aber
es würde sicher nicht schaden, einen kleinen Extravorrat
an guten Taten aus dem Hut zaubern zu können.)
Mit diesem selbstgerechten Gedanken im Kopf stieg
ich aus dem Fahrstuhl.
Die Nachrichtenredaktion nahm den ganzen achten
Stock des Times -Gebäudes ein. Schon um neun Uhr
morgens schwebte über den Schreibtischen eine dichte
Wolke aus dem Rauch von Zigaretten und billigen
Zigarren wie ein einsamer Geist über Gräbern. Eine
Gruppe Männer hatte sich um einen Schreibtisch zu
meiner Rechten versammelt und steckte die Köpfe
zusammen – sie platzten fast vor Lachen, zweifellos
über irgendeinen obszönen Witz, wie ich in meiner
frommen Stimmung angewidert feststellte.
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»Hey, Hollis!« brüllte mir einer entgegen, »komm
mal rüber und erzähl den Jungs hier den Witz von dem
Vertreter, den du mir gestern erzählt hast. Ich hab‹ die
Pointe vergessen!«
»Ich kann jetzt nicht, Jungs. Ich muß Kelly in seinem
Büro erwischen, bevor er nach oben geht und mit
seinem täglichen Geschleime anfängt. Mir ist sowieso
schleierhaft, warum er bei der jahrelangen
Arschkriecherei noch nicht an chronischer Gelbsucht
eingegangen ist.« Ich ließ sie darüber wiehern und ging
zu meinem Schreibtisch. Niemand konnte mich jetzt
aufhalten! Ich zog meinen Mantel aus, warf ihn über
meine Schreibmaschine und ging los zum Büro des
Nachrichtenchefs.
Aus dem Augenwinkel konnte ich Ed McNaspy über
seine Schreibmaschine gekrümmt sehen. Er besaß das
fleckige Gesicht und die rote Nase des schweren
Trinkers und hatte die Angewohnheit, eine flache
Chromflasche in seiner linken Gesäßtasche zu tragen,
die er in regelmäßigen Abständen herauszog, wozu er
laut mit den Lippen schmatzte und verkündete, es sei
Zeit für ein bißchen Sumpfwasser. Seine grünen Zähne
sprachen dafür, ihn wörtlich zu nehmen, weshalb ich
mich manchmal fragte, ob in der verdammten Flasche
nicht tatsächlich Sumpfwasser war.
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Ich mußte an seinem Schreibtisch vorbei, um in
Kellys Büro zu kommen, und ging schneller, in der
Hoffnung,
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