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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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wollte es auch gar nicht zu
    genau wissen.
    Ich betrat den Fahrstuhl, stellte mich an die
    Rückwand und wartete. Nichts geschah. Er rührte sich
    nicht. Ich biß die Zähne zusammen, entschlossen, nicht
    als erste den Mund aufzumachen. Wir blieben eine
    kleine Ewigkeit so stehen, bevor er schließlich fragte:
    »Stockwerk, bitte?«
    Ich fühlte, wie meine Hände sich öffneten und
    schlossen, und ertappte mich dabei, daß ich verlangend
    seinen schmalen mageren Nacken musterte. Es war
    nämlich so, daß ich an wenigstens fünf Morgen in jeder
    Woche der letzten fünfzehn Jahre diesen Fahrstuhl
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    betreten hatte, und Tag für Tag fragte er mich, in
    welches Stockwerk ich wollte. Nach zwei
    Arbeitswochen hatte ich beschlossen, die Routine zu
    durchbrechen, indem ich an Bord sprang und »Acht,
    bitte« flötete, bevor er etwas sagen konnte. Aber als ich
    das tat, fuhr er mich an, er kenne mein Stockwerk
    genau. Dann knurrte er etwas über gewisse Leute, die
    glaubten, nur weil gewisse andere Leute es bloß zum
    Fahrstuhlführer
    gebracht
    hätten,
    müßten
    sie
    zwangsläufig blöd sein.
    Sobald er die Tür zugeknallt und den Hebel nach
    oben gedrückt hatte, würde er mir irgendeine besonders
    deprimierende Geschichte aus seinem häuslichen Leben
    erzählen.
    »Meine Frau hat geftern abend daf Badepfimmer
    waubergemacht und auf Verwehen meine Pfähne in die
    Toilette geworfen. Wie lagen in Klopapier gewickelt
    aufm Waffbeckenrand, und wie hat wie genommen und
    in die Toilette geworfen und die Fpülung gepfogen,
    bevor wie ef merkte. Wie wollte den Klempner holen,
    damit er mir die Dinger wieder raufholt, aber ich hab
    ihr gewagt, daf ich die verflikften Dinger nicht mehr
    will, wenn wie mal in der Toilette waren. Würden Wie
    daf noch wollen?« fragte er.
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    Ich hatte gewußt, daß etwas an ihm anders war. Sein
    Mund war in sein Gesicht gesunken, und er sah aus, als
    hätte er einen Trichter verschluckt.
    Mit einem Ruck hielten wir im achten Stock. Ich
    begriff, daß er eigentlich eine Antwort erwartete, also
    murmelte ich ein paar verständnisvolle Worte und
    klopfte ihm auf die Schulter. Ich nahm an, daß mir allein
    dieses Verhalten einen Platz im Himmel sichern dürfte.
    (Abgesehen von all den anderen netten Dingen, die ich
    in meinem Leben vollbracht hatte. Ich ging nicht
    wirklich davon aus, schlecht dazustehen, wenn ich an
    der Himmelspforte Rechenschaft ablegen müßte, aber
    es würde sicher nicht schaden, einen kleinen Extravorrat
    an guten Taten aus dem Hut zaubern zu können.)
    Mit diesem selbstgerechten Gedanken im Kopf stieg
    ich aus dem Fahrstuhl.
    Die Nachrichtenredaktion nahm den ganzen achten
    Stock des Times -Gebäudes ein. Schon um neun Uhr
    morgens schwebte über den Schreibtischen eine dichte
    Wolke aus dem Rauch von Zigaretten und billigen
    Zigarren wie ein einsamer Geist über Gräbern. Eine
    Gruppe Männer hatte sich um einen Schreibtisch zu
    meiner Rechten versammelt und steckte die Köpfe
    zusammen – sie platzten fast vor Lachen, zweifellos
    über irgendeinen obszönen Witz, wie ich in meiner
    frommen Stimmung angewidert feststellte.
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    »Hey, Hollis!« brüllte mir einer entgegen, »komm
    mal rüber und erzähl den Jungs hier den Witz von dem
    Vertreter, den du mir gestern erzählt hast. Ich hab‹ die
    Pointe vergessen!«
    »Ich kann jetzt nicht, Jungs. Ich muß Kelly in seinem
    Büro erwischen, bevor er nach oben geht und mit
    seinem täglichen Geschleime anfängt. Mir ist sowieso
    schleierhaft, warum er bei der jahrelangen
    Arschkriecherei noch nicht an chronischer Gelbsucht
    eingegangen ist.« Ich ließ sie darüber wiehern und ging
    zu meinem Schreibtisch. Niemand konnte mich jetzt
    aufhalten! Ich zog meinen Mantel aus, warf ihn über
    meine Schreibmaschine und ging los zum Büro des
    Nachrichtenchefs.
    Aus dem Augenwinkel konnte ich Ed McNaspy über
    seine Schreibmaschine gekrümmt sehen. Er besaß das
    fleckige Gesicht und die rote Nase des schweren
    Trinkers und hatte die Angewohnheit, eine flache
    Chromflasche in seiner linken Gesäßtasche zu tragen,
    die er in regelmäßigen Abständen herauszog, wozu er
    laut mit den Lippen schmatzte und verkündete, es sei
    Zeit für ein bißchen Sumpfwasser. Seine grünen Zähne
    sprachen dafür, ihn wörtlich zu nehmen, weshalb ich
    mich manchmal fragte, ob in der verdammten Flasche
    nicht tatsächlich Sumpfwasser war.
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    Ich mußte an seinem Schreibtisch vorbei, um in
    Kellys Büro zu kommen, und ging schneller, in der
    Hoffnung,

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