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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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Adresse.«
    Natürlich, wo sollte er auch sonst wohnen? Ich
    schrieb mir die Adresse in River Oaks auf. »In
    Ordnung«, meinte ich lässig, als wäre ich regelmäßig in
    Häusern am River Oaks Boulevard zu Gast.
    »Gut, ich schicke Ihnen meinen Chauffeur gegen
    viertel vor fünf«, sagte er und legte auf, bevor ich etwas
    dagegen einwenden konnte.
    »Er scheint zu denken, daß Lohnsklaven keine Autos
    haben«, murmelte ich. Dann stapfte ich in die Küche,
    wo Anice bereits stand und mit ihrem Stummelschwanz
    wedelte. Ich machte uns Frühstück, was bedeutete, daß
    ich eine frische Tüte Ingwerkekse aus dem
    Küchenschrank holte und eine Flasche Coca Cola aus
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    dem Eisschrank. Wir gingen ins Wohnzimmer, das
    zugleich das Eßzimmer war, und nahmen am Eßtisch
    Platz. Ich legte Anice ein Plätzchen vor und nahm mir
    selber auch eins. Ich mache mir nicht viel aus
    Ingwerkeksen, aber sie sind Anices Lieblingsmahlzeit
    und daher unser übliches Frühstück.
    Ich trank einen Schluck Cola und erzählte Anice von
    Mr. Delacroix‹ Anruf. Ich sagte ihr, er wolle mich wohl
    überreden, an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Sie
    fand ganz entschieden, ich solle ihm sagen, er könne
    sich den Job in seinen versnobten Hintern stecken, bis
    ich ihr auseinandersetzte, daß ich einen Job brauchte,
    um das Geld zu verdienen, mit dem ich die nächsten
    Ingwerkekse kaufen könnte. Sie änderte sofort ihre
    Meinung – das Leben, erklärte sie, bestehe eben aus
    Kompromiß und Verhandlung, aus Geben und Nehmen.
    Manchmal sei es auch nötig, sinnlosen Stolz
    herunterzuschlucken. Ich sprach es nicht aus, aber im
    stillen fand ich, daß sie unter Druck ganz schön leicht
    umkippte. Hoffentlich würde nie mein Leben davon
    abhängen, daß sie bei einem Verhör durch den Feind
    dichthalten müßte. Schweigend aßen wir die restlichen
    Kekse. Vielmehr ich aß schweigend. Sie schmatzte und
    knirschte mit den Zähnen.
    Den Rest des Tages verbrachte ich damit, lauter
    lästige Dinge zu erledigen, zu denen ich anscheinend
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    sonst nie kam. Danach nahm ich ein heißes Bad, um
    mich für das Delacroix‹sche Heim zu wappnen. Das
    heiße Wasser fühlte sich wunderbar an und tat meinen
    Knien gut, die bei dem kalten Wetter höllisch
    schmerzten. Ich hatte sie mir ruiniert, als ich mit ein
    paar mexikanischen Kindern Fußball spielte und dabei
    eine schnelle Drehung machte. Die Kinder lebten in der
    Nachbarschaft meiner Tante in Brownsville. Ich war
    damals elf.
    Meinem rechten Knie ging es besonders schlecht.
    Über die Jahre hatte ich versucht, das zu kompensieren,
    indem ich mein ganzes Gewicht auf die linke Seite
    verlagerte. Das hatte dazu geführt, daß mein linker
    Knöchel ausgeleiert war. Ich stellte mir nur sehr ungern
    vor, in welcher Verfassung ich wohl mit achtzig sein
    würde.
    Als ein schwarzer Packard genau um viertel vor fünf
    vor mein Haus glitt, war ich gestiefelt und gespornt.
    Die
    Karosserie
    war
    so
    lang,
    daß
    die
    Kühlerhaubenverzierung in Amarillo hätte sein können,
    während das Heck noch in Houston stand. Entweder
    war das meine Mitfahrgelegenheit, oder in der
    Nachbarschaft war jemand gestorben.
    Ich ging aus dem Haus, drehte mich um und winkte
    noch einmal Anice zu. Sie saß auf ihrer Ledercouch und
    sah aus dem Fenster auf die Straße hinaus, ihren grauen
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    Kopf zur Seite geneigt. Sie würde hier warten, schlafen
    oder die Passanten anbellen, bis ich nach Hause kam.
    Der Chauffeur stieg aus dem Auto, als ich näherkam,
    und öffnete mir die hintere Wagentür. Er trug eine
    schwarze Uniform – passend zum Auto, dachte ich.
    Niedlich. Ich ignorierte seine hilfreich ausgestreckte
    Hand und stieg ein. Dann fuhr er an, und wir schwebten
    die Straße hinunter wie eine schwarze Gewitterwolke.
    Die Limousine erregte so viel Aufsehen, daß ich das
    Gefühl hatte, in einer rollenden Neon-Kinoreklame zu
    fahren. Ich hoffte, sämtliche Nachbarn sahen mich – vor
    allem Mrs. Dantzler. Ich probierte die Sitzfederung aus,
    spielte mit all den verchromten Griffen, schnupperte an
    der Blumenknospe in der winzigen Porzellanvase und
    roch an den Ledersitzen, bis ich merkte, daß der
    Chauffeur mich im Rückspiegel beobachtete. Wir
    lachten beide gleichzeitig los. Er hieß Barry. Als wir in
    den River Oaks Boulevard einbogen, waren wir alte
    Kumpel.
    Die Delacroix‹ wohnten nur drei Hausnummern vom
    River Oaks Country Club entfernt, dessen Lichter
    strahlten, als ob dort ein Film von Busby Berkely
    gedreht würde. Wir

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