Heißer Winter in Texas
Adresse.«
Natürlich, wo sollte er auch sonst wohnen? Ich
schrieb mir die Adresse in River Oaks auf. »In
Ordnung«, meinte ich lässig, als wäre ich regelmäßig in
Häusern am River Oaks Boulevard zu Gast.
»Gut, ich schicke Ihnen meinen Chauffeur gegen
viertel vor fünf«, sagte er und legte auf, bevor ich etwas
dagegen einwenden konnte.
»Er scheint zu denken, daß Lohnsklaven keine Autos
haben«, murmelte ich. Dann stapfte ich in die Küche,
wo Anice bereits stand und mit ihrem Stummelschwanz
wedelte. Ich machte uns Frühstück, was bedeutete, daß
ich eine frische Tüte Ingwerkekse aus dem
Küchenschrank holte und eine Flasche Coca Cola aus
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dem Eisschrank. Wir gingen ins Wohnzimmer, das
zugleich das Eßzimmer war, und nahmen am Eßtisch
Platz. Ich legte Anice ein Plätzchen vor und nahm mir
selber auch eins. Ich mache mir nicht viel aus
Ingwerkeksen, aber sie sind Anices Lieblingsmahlzeit
und daher unser übliches Frühstück.
Ich trank einen Schluck Cola und erzählte Anice von
Mr. Delacroix‹ Anruf. Ich sagte ihr, er wolle mich wohl
überreden, an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Sie
fand ganz entschieden, ich solle ihm sagen, er könne
sich den Job in seinen versnobten Hintern stecken, bis
ich ihr auseinandersetzte, daß ich einen Job brauchte,
um das Geld zu verdienen, mit dem ich die nächsten
Ingwerkekse kaufen könnte. Sie änderte sofort ihre
Meinung – das Leben, erklärte sie, bestehe eben aus
Kompromiß und Verhandlung, aus Geben und Nehmen.
Manchmal sei es auch nötig, sinnlosen Stolz
herunterzuschlucken. Ich sprach es nicht aus, aber im
stillen fand ich, daß sie unter Druck ganz schön leicht
umkippte. Hoffentlich würde nie mein Leben davon
abhängen, daß sie bei einem Verhör durch den Feind
dichthalten müßte. Schweigend aßen wir die restlichen
Kekse. Vielmehr ich aß schweigend. Sie schmatzte und
knirschte mit den Zähnen.
Den Rest des Tages verbrachte ich damit, lauter
lästige Dinge zu erledigen, zu denen ich anscheinend
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sonst nie kam. Danach nahm ich ein heißes Bad, um
mich für das Delacroix‹sche Heim zu wappnen. Das
heiße Wasser fühlte sich wunderbar an und tat meinen
Knien gut, die bei dem kalten Wetter höllisch
schmerzten. Ich hatte sie mir ruiniert, als ich mit ein
paar mexikanischen Kindern Fußball spielte und dabei
eine schnelle Drehung machte. Die Kinder lebten in der
Nachbarschaft meiner Tante in Brownsville. Ich war
damals elf.
Meinem rechten Knie ging es besonders schlecht.
Über die Jahre hatte ich versucht, das zu kompensieren,
indem ich mein ganzes Gewicht auf die linke Seite
verlagerte. Das hatte dazu geführt, daß mein linker
Knöchel ausgeleiert war. Ich stellte mir nur sehr ungern
vor, in welcher Verfassung ich wohl mit achtzig sein
würde.
Als ein schwarzer Packard genau um viertel vor fünf
vor mein Haus glitt, war ich gestiefelt und gespornt.
Die
Karosserie
war
so
lang,
daß
die
Kühlerhaubenverzierung in Amarillo hätte sein können,
während das Heck noch in Houston stand. Entweder
war das meine Mitfahrgelegenheit, oder in der
Nachbarschaft war jemand gestorben.
Ich ging aus dem Haus, drehte mich um und winkte
noch einmal Anice zu. Sie saß auf ihrer Ledercouch und
sah aus dem Fenster auf die Straße hinaus, ihren grauen
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Kopf zur Seite geneigt. Sie würde hier warten, schlafen
oder die Passanten anbellen, bis ich nach Hause kam.
Der Chauffeur stieg aus dem Auto, als ich näherkam,
und öffnete mir die hintere Wagentür. Er trug eine
schwarze Uniform – passend zum Auto, dachte ich.
Niedlich. Ich ignorierte seine hilfreich ausgestreckte
Hand und stieg ein. Dann fuhr er an, und wir schwebten
die Straße hinunter wie eine schwarze Gewitterwolke.
Die Limousine erregte so viel Aufsehen, daß ich das
Gefühl hatte, in einer rollenden Neon-Kinoreklame zu
fahren. Ich hoffte, sämtliche Nachbarn sahen mich – vor
allem Mrs. Dantzler. Ich probierte die Sitzfederung aus,
spielte mit all den verchromten Griffen, schnupperte an
der Blumenknospe in der winzigen Porzellanvase und
roch an den Ledersitzen, bis ich merkte, daß der
Chauffeur mich im Rückspiegel beobachtete. Wir
lachten beide gleichzeitig los. Er hieß Barry. Als wir in
den River Oaks Boulevard einbogen, waren wir alte
Kumpel.
Die Delacroix‹ wohnten nur drei Hausnummern vom
River Oaks Country Club entfernt, dessen Lichter
strahlten, als ob dort ein Film von Busby Berkely
gedreht würde. Wir
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