Heißer Winter in Texas
gewesen, und er hatte seinen
Job, weil er unvergleichliches Geschick darin besaß, sich
zu bücken und die Arschfalte jedes beliebigen
Vorgesetzten zu küssen, der sich im Umkreis von drei
Metern blicken ließ. Als ich eintrat, schrak er auf, griff
nach einem Stapel Papier und tat, als würde er lesen.
Ich ging die Sache ohne Umschweife an: »Ich will
eine Gehaltserhöhung, Kelly. Ich habe seit über einem
Jahr keine mehr gehabt. Ich bin die beste
Kriminalreporterin
bei
dieser
Zeitung
und
wahrscheinlich in der ganzen Stadt. Vorige Woche
wurde Richard The Rabbi Goldfein wegen vorsätzlichen
Mordes verurteilt, und zwar fast ausschließlich
aufgrund von Informationen, die ich über ihn
gesammelt habe. Diese Zeitung hat exklusiv darüber
berichtet. Die Associated Press hat letzte Woche ein
15
Feature über mich gebracht, in dem ich als ›brillante
Journalistin‹ bezeichnet wurde.« Ich hielt inne, um Luft
zu holen und mir rasch noch ein paar Gründe
auszudenken, warum ich eine Gehaltserhöhung verdient
haben könnte.
»Sie haben recht, Hollis. Sie können eine
Gehaltserhöhung haben«, antwortete Kelly mit
strahlendem Gesicht.
Mein Herz schlug schneller, aber ich war verwirrt. Ich
hatte einen Kampf erwartet. Es konnte doch nicht so
einfach sein? Ich rutschte vorsichtig von meinem Stuhl,
drauf und dran aus dem Zimmer zu verschwinden,
bevor er es sich anders überlegte. Dann bemerkte ich
sein Lächeln. Ich habe bei Männern, die in
orangefarbenen
Karoanzügen
auf
Gebrauchtwagenmärkten herumlungern, ehrlichere
Gesichter gesehen. Dazu kam die sichtlich
schuldbewußte Miene. Ich fühlte, wie sich meine Haut
über Stirn und Wangen zusammenzog. Das Pochen
wanderte vom Herz in den Magen. »Schön, Kelly. Wo
ist der Haken?«
»Wovon reden Sie? Da ist kein Haken. Sie haben
großartige Arbeit geleistet, und JJ und ich, wir waren
beide der Meinung, daß Sie dafür belohnt werden
sollten«, sagte er mit weinerlichem Unterton.
16
Das hörte sich völlig falsch an. Und er war so nervös
wie Konfuzius in einer Nikolausmontur. Ich überlegte,
ob ich ihn richtig in die Mangel nehmen sollte – Folter
in bester Polizeimethode, bis er auspackte –, aber er war
mir so schon zu sehr in der Defensive. Also versuchte
ich eine andere Taktik.
»Entschuldigung, Kelly, ich weiß auch nicht, was mit
mir los ist.« Ich grinste dümmlich. »Sagen Sie JJ bitte auf
alle Fälle vielen Dank von mir. So, nun will ich mal
schleunigst an meinen Schreibtisch zurück. Ich muß an
der Story arbeiten, von der ich Ihnen letzte Woche
erzählt habe. Sie wissen schon, die Waffen, die aus der
Beweisaufnahme verschwunden sind. Das gibt
bestimmt Schlagzeilen. Also, ich geh‹ dann mal.« Ich
drehte mich um und wollte mich davonmachen.
»Warten Sie mal, Hollis, eine Sekunde. Ich hab‹ noch
mehr gute Nachrichten für Sie.« Sein Lächeln sah
allmählich wirklich klebrig aus. »Diese Geschichte
können Sie vergessen. JJ und ich haben darüber
gesprochen und uns entschieden, sie fallenzulassen. Sie
werden einen besseren Auftrag kriegen. JJ will, daß Sie
über die Hundertjahrfeiern in Dallas und Houston
berichten.« Ich starrte ihn schweigend an. Nach ein paar
Sekunden unter meinem Blick begann er sich zu winden
und rot anzulaufen. Sein Gewissen war so rein wie der
Boden eines Affenkäfigs.
17
»Mr. Delacroix hat gestern JJ angerufen und ihm
gesagt, wir sollten unseren besten Reporter auf diese
Sache ansetzen. Er ist persönlich daran interessiert. Sein
Ururgroßvater hat in der Schlacht von San Jacinto
gekämpft, Hollis. Außerdem, Himmel, das Blatt gehört
ihm, und er kann damit machen, was er will. Und er
kann auch mit Ihnen machen, was er will. Wenn er
Ihnen sagt, daß Sie sich eine Glühbirne in den Hintern
stecken und jedesmal aufleuchten sollen, wenn Sie
›Yellow Rose of Texas‹ hören, dann werden Sie das tun.
Verstehen Sie, Hollis?«
»Lassen Sie mich das mal klarstellen, Kelly«, sagte ich
ruhig. »Im Buffalo Bayou treiben jeden Tag mit Zement
beschwerte Leichen, die so viele Einschußlöcher
aufweisen, daß ein Sieb dagegen wie ein Festkörper
wirkt. Fünf Gangster teilen die Stadt untereinander auf,
Gangster, denen es einerlei ist, ob sie wen anschauen
oder wen abknallen. In jedem Café, in jedem
Lebensmittelladen, in jeder Eisdiele und in jedem
Billardsaal in dieser Stadt stehen Spielautomaten aller
Art, die dreißig zu eins auszahlen, wenn man gewinnt.
Was
Weitere Kostenlose Bücher