Heißer Zauber einer Nacht
dass es unbeleuchtet fuhr, ließ darauf schließen, dass seine Ankunft nicht nur ein glücklicher Zufall war.
Ein kränkelnder Antiquitätenhändler und Gelehrter? Lachhaft. Ihr Mr Pymm war in irgendwelche dubiosen Machenschaften verwickelt, aber das war Georgie gleichgültig. Da er offenbar vor den Franzosen fliehen wollte, schloss sie, dass er nichts mit ihnen zu tun haben wollte.
Und solange seine dunklen Geschäfte nicht darin bestanden, englische Frauen an persische Harems zu verkaufen, interessierte sie sich nicht dafür.
Die Alarmschreie und der Lärm kamen näher. Die Kirchenglocken läuteten hektisch und übertönten die Schreie und das Wehklagen der Dorfbewohner, die von den Invasoren aus ihren Betten getrieben wurden.
»Wohin?«, fragte Kit und spähte unter ihrer jetzt nassen Kapuze hinweg.
»Zum Strand.« Georgie nickte in die besagte Richtung. »Siehst du das Licht? Das ist die Laterne von Mr Pymm. Offenbar wird er von Freunden erwartet. Und ich will dafür sorgen, dass sie uns mitnehmen. Sie setzte ihren Weg den Hang hinab fort und versuchte sich an den Pfad zu erinnern, den sie vor ein paar Tagen genommen hatten. Das war natür li ch am Morgen gewesen, als die Sonne am Himmel gestrahlt und die See einladend gewirkt hatte.
Jetzt, in der Dunkelheit, stolperten sie und prallten gegeneinander, als sie sich über den vom Regen glitschigen Pfad tasteten und dem schwachen Laternenlicht von Mr Pymm folgten, das vor ihnen tanzte.
Dann hörte Georgie ein Geräusch, das ihr so vertraut war wie ihre eigene Stimme - das Knarren von Rudern in ihren Riemen und das Geräusch von Holz, das über den felsigen Strand schabte.
Ein Beiboot.
Sie brauchte es nicht zu sehen, um zu wissen, dass es dort war.
»Hast du das gehört?«, wisperte Kit, die fast so oft wie Georgie an Bord von Captain Tafts Schiff und auf den Docks bei Penzance gespielt hatte. »Ein Boot. Ich schwöre, dass ich ein Boot gehört habe.«
»Ja, Kit«, raunte Georgie. »Ich habe es ebenfalls gehört. Es muss in der Nähe der Felsen am Ende des Strandes sein.« Die Nacht war pechschwarz, zudem regnete es, und sie konnten die Hand nicht vor Augen sehen. Wenigstens konnten sie sich an Pyrnms Laterne orientieren, deren Licht wie ein winziges flackerndes Leuchtfeuer war.
»Was ist, wenn sie uns nicht mitnehmen wollen?«, flüsterte Kit besorgt.
Georgie legte die Hand auf den Griff der Pistole unter ihrem Umhang. »Sie werden uns mitnehmen, keine Sorge. Es wird ihnen nichts anderes übrig bleiben.« Sie hatten das Ende des felsigen Pfades erreicht, denn ihre Schuhe sanken jetzt in den Sand ein.
Georgie hielt Kit einen Moment fest, denn Mr Pymm war ebenfalls stehen geblieben.
Er stand in einiger Entfernung von ihnen und schwang die Laterne hin und her und dann auf und ab.
Offenbar hatte er die Ankunft des Beibootes nicht gehört wie sie. Aber beim Rauschen der Wellen und dem Prasseln des Regens konnte man das leicht überhören.
»Ich hielt Mr Pymm für einen Gentleman«, meinte Kit. »Dabei verhält er sich wie Mr Waterby es getan hat, um den Steuereinnehmern zu entkommen.«
Georgie lächelte bei der Erwähnung ihres Nachbarn in Penzance, der als Schmuggler bekannt gewesen war. »Und da ist der Grund«, flüsterte sie, als jemand nahe der Felsen mit einer Lampe das gleiche Signal gab.
Mr Pymms Schultern hoben und senkten sich, als er erleichtert aufatmete. Er lief den Strand hinauf wie ein Flussuferläufer, hüpfte und sprang über die Wellen, die im Sand ausliefen.
Sie brauchten nicht mehr seinem Laternenschein zu folgen; sein Fluchen und Klagen reichte völ li g, um ihnen den Weg zu weisen. Offenbar mochte Mr Pymm nicht, dass seine Schuhe und Hosenbeine nass wurden, doch Georgie sagte sich, dass diese kleine Unannehmlichkeit besser war, als von den Franzosen erwischt zu werden.
Mit diesem ernüchternden Gedanken im Sinn und Kit im Schlepptau setzte Georgie ihren Weg Mr Pymm folgend fort.
Sie holten den geheimnisvollen Engländer ein, als er sich gerade abmühte, ein Bein an Bord eines Bootes zu schwingen. Das Boot war von vier rau aussehenden Matrosen bemannt, zwei an den Rudern, die anderen bemüht zu verhindern, dass das Boot wieder in die Brandung gerissen wurde. Alle vier Männer trugen Ölzeug und Hüte mit breiten Krempen. Sie waren in der dunklen Nacht kaum sichtbar.
Schmuggler. Genau wie Mr Waterby und seine Crew, dachte Georgie. Zu diesem Zeitpunkt war ihr gleichgültig, welche Fracht sie illegal transportierten, solange sie
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