Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
Geheimnisse gehütet und so getan, als wäre ich nicht gut genug, um das Gebäck deines heiß geliebten Großvaters nachbacken zu können. Aber die ganze Welt weiß jetzt, dass ich gut genug bin. Und wenn du nicht aufhörst, meinen Namen zu beschmutzen, werden die Studioanwälte dich verklagen, bis dir nicht mal mehr deine lächerlichen bügelfreien Hosen bleiben!«
»Ach, ja? Selbst wenn ich jedes Wort beweisen kann?«
»Das kannst du nicht.« Die Zuversicht der Frau zeigte sich in der Art, wie sie den Kopf zurückwarf. »Hier steht Aussage gegen Aussage.«
»Nicht unbedingt.« Mit einem Lächeln, das einem Borgia Ehre gemacht hätte, zog Mariann ein Tagebuch mit einem fleckigen Ledereinband unter der Theke hervor und legte es auf die blitzsaubere Glasvitrine neben der Kasse. »Das ist das Rezeptbuch meines Großvaters, in dem sich die Entwicklung eines jeden von ihm erfundenen Gebäckstücks von 1940 an zurückverfolgen lässt. Ich habe das Papier, die Handschrift und die Tinte von einem Labor authentifizieren lassen. Du siehst also, Arabella, dass ich, als ich mit diesem Reporter vom Boston Globe sprach, Beweise hatte, um meine Behauptungen zu untermauern.«
Mit einem erbosten Schnauben griff die Frau nach dem Buch, aber Bastiens Hand fiel schon darauf, bevor sie es erreichte. Die Frau starrte ihn an, als wäre er verrückt, und wandte sich dann mit einer wegwerfenden Geste wieder Mariann zu.
»Du bist nichts«, sagte sie. »Nur eine Kleinstadt-Bäckerin, die nicht klug genug ist zu behalten, was sie hat. Ich habe es dir vor achtzehn Monaten bewiesen, als wir uns trennten, und glaub mir, ich werde es erneut beweisen.«
So hoheitsvoll, wie sie hereingekommen war, stöckelte sie auch wieder hinaus und verließ mit quietschenden Reifen den kleinen Hof vor der Bäckerei. Bastien brach die Stille, weil er niesen musste von dem nachhaltigen Parfum der Frau. Heathers Reaktion war willkürlicher.
»So«, sagte sie, »das war also die berühmte Arabella Armand. Ich kann nicht behaupten, dass ich sehr beeindruckt bin.«
»Normalerweise ist sie charmanter«, entgegnete Mariann schulterzuckend. »Sie hebt den Mr. Hyde in sich für ihre Freunde auf.«
Heather lachte, aber Mariann gab ein Geräusch von sich, das wie ein Schluckauf klang, und rannte in die Küche.
»Bleib!«, sagte Bastien, als Heather ihr folgen wollte. »Ich gehe und schaue, ob mit ihr alles in Ordnung ist.« Er unterlegte den Befehl mit einem leichten Zwang, und das junge Mädchen taumelte zurück wie eine Puppe.
»Vorsicht«, meinte Emile, als er Heather an den Schultern packte.
Aber Bastien wusste, dass die Warnung für ihn bestimmt war.
Und er würde sie auch beherzigen, nur eben nicht gerade jetzt.
Marianns Küche war größer als ihr Café, mit supermodernen Edelstahlschränken und einem Terrakottaboden, der zu dem Abfluss in der Mitte hin leicht abgeschrägt war. Alles an der Küche war überdimensioniert: die Deckenbeleuchtung, die Arbeitsflächen, die Umluftöfen und die Herde. Der Kühlraum war so hoch, dass eine Trittleiter benötigt wurde, um an die obersten Regale heranzukommen, und mit Schokoladen- und Butterpaketen bestückt, die für Riesen gedacht zu sein schienen. Dass eine so zierliche Frau dieses Reich beherrschte, erfüllte Bastien mit Belustigung – aber nicht etwa, weil Mariann der Aufgabe nicht gewachsen schien.
Er fand sie vor dem Hackbrett in der Kücheninsel, wo sie mit einem scharfen Messer Vanilleschoten öffnete. Als sie das Mark auskratzte, überwältigte der Duft schier Bastiens Sinne: eine kräftige, zugleich ein wenig herbe Süße, die es schaffte, den Eindruck einer anheimelnden Küche und den eines Dschungels in sich zu vereinen. Im Bruchteil von Sekunden verhärtete sich Bastiens Körper, wie nur der eines Upyrs es konnte, und eine solch intensive, heftige Erregung erfasste ihn, dass ihm die Knie fast den Dienst versagten. Seine vorher noch so dezente italienische Hose verlor ihren perfekten Sitz, während das Kribbeln in seinen Gaumen ihn warnte, dass seine Reißzähne kurz davor waren herauszuschießen.
»Ich bin okay«, beruhigte ihn Mariann, bevor er etwas sagen konnte, und fuhr sich mit dem Ellbogen über die Augen. »Ich habe zu tun, Bastien.«
Als er hinter ihr stand und die steife, stolze Haltung ihrer Schultern sah, hatte er das Gefühl, als wäre er wieder durch ihren Garten auf sie zugeschlichen, weil er sich so verzweifelt den Kontakt ersehnte, dass er riskieren würde, sie zu
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