Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
erschrecken.
Sehr langsam und sehr sanft legte er die Arme um sie und hielt mit beiden Händen ihre Handgelenke fest. Ihre Finger wiesen die Spuren jahrelanger Küchenarbeit auf: Schnitte, Kratzer, Schwielen und Verbrennungen, ganz abgesehen davon, dass die Haut vom ständigen Spülen trocken und rissig war. Aber er wusste, dass sie stolz auf jeden kleinen Makel war, denn manchmal, wenn sie sich unbeobachtet glaubte, drehte sie ihre Hände hin und her und lächelte dabei.
»Sie sind nicht okay«, murmelte er an ihrem Ohr und stupste sie dann ganz leicht mit der Nase an. Da er ihr so nahe war, dass ihre Auren sich vermischten, konnte er gar nicht anders, als ihre aufgewühlten Gefühle wahrzunehmen. Er hatte ihre Privatsphäre immer respektiert, war aber ein zu guter Gedankenleser, um jetzt nicht einen Eindruck ihrer Emotionen zu erhalten. »Diese Frau hat Sie verärgert.«
Mariann lachte, doch es klang mehr wie ein Schnauben. »Arabella wäre tödlich beleidigt, wenn sie wüsste, dass Sie den neuesten Publikumsliebling des Kochkanals nicht erkannt haben.«
Bastien, für den es keinen anderen »Liebling« gab als Mariann, summte vor Freude, sie endlich in den Armen zu halten, und strich mit den Lippen über die seidige Haut an ihrem Nacken.
Mariann begann zu zittern. »Sie sollten das lieber lassen. Sie sind mein Vermieter.«
Er verstand nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hatte, aber Menschen hatten eben manchmal merkwürdige Regeln. Ohne ihren Einwand zu beachten, glitt er mit den Fingerspitzen zwischen die Knöchel ihrer Hände, worauf ihr kleines Messer klirrend zu Boden fiel. Zu seiner Überraschung ließ sie den Kopf an seine Schulter sinken und entblößte die Halsbeuge. Unter seinesgleichen war das eine Geste der Unterwerfung, auf sexueller Ebene und auch sonst.
Deshalb war es unvermeidlich, dass diesmal ein leises Knurren in seiner Stimme mitschwang. »Ich wollte dir schon so nahekommen, seit wir uns begegnet sind.«
Ihre Antwort war ein leiser Seufzer. »Du machst es damit nur noch schlimmer.«
»Wie kann es etwas schlimmer machen, dich zu umarmen?«
Er sprach so beruhigend, wie er konnte, aber ihr Kopf fuhr wieder hoch. »Weil ich nicht weinen will, verdammt!«
Bastien widersprach nicht, als sie sich in seinen Armen drehte, doch er trat auch nicht zurück und gab sie frei. Wie sie ihn schon vorgewarnt hatte, war ihr Gesicht feucht von frischen Tränen, und trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – sprühten ihre Augen geradezu vor Wut. Die Leidenschaft, die sich dadurch verriet, war ein Aphrodisiakum für jemanden wie Bastien.
Nur ihre Verletzlichkeit sprach ihn sogar noch mehr an.
»Du bist schon lange nicht mehr so gehalten worden«, stellte er fest und spürte, wie es ihn heiß durchlief bei dem Gedanken, auf was sie sonst wohl noch alles lange verzichtet hatte. »Deshalb bringt meine Umarmung dich zum Weinen.«
Betreten senkte sie den Kopf. »Umarmungen waren nie Toms Stärke.«
»Ein bedauernswerter Zug an einem Ehemann.«
»Fand ich auch. Ich meine, ich wollte ja nicht, dass er die ganze Welt umarmte. Nur mich.« Sie fand ihre Haltung wieder und versuchte zu scherzen, doch bei den letzten Worten brach ihre Stimme, und sie verzog verärgert das Gesicht. »Aber heute ist es mir egal. Er ist ein Idiot, und ohne ihn bin ich viel besser dran.«
»Das ist richtig«, stimmte Bastien ihr zu. »Tausend Mal besser.«
»Was sie mir angetan hat, war schlimmer«, fuhr Mariann fort, und Bastien wusste, dass sie Arabella meinte. »Wir hatten gemeinsam die Restaurantszene in Boston überlebt, zwei Frauen, die mit diesen blöden, grabschenden Beiköchen Hunderte von Speisen pro Nacht herausgaben. Sie überredete mich, sie als meine Partnerin mitzunehmen, nachdem Großvater verstorben war. Wir waren Freundinnen. Ich dachte, sie hätte mich gern. Und dann tut sie auf einmal so, als wäre Großvaters Werk das ihre. ›Eine Kleinigkeit, die ich erfunden habe‹, behauptet sie in ihrer Show. Als ich es das erste Mal hörte, dachte ich, mir würde der Kopf zerspringen. In all der Zeit unserer Zusammenarbeit hat sie nie etwas Eigenes erfunden. Sie konnte kochen, aber sie war faul. Ihre erste Frage war immer: ›Was ist der schnellere Weg?‹ Doch gutes Gebäck entsteht aus Liebe, aus dem Wunsch, etwas zu erzeugen, das deine Gäste ganz und gar begeistern wird. Das lässt sich nicht auf ›schnellem Weg‹ erreichen!«
Noch bei der Erinnerung empört, rieb sich Mariann die Nase. Als sie
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