Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
führen. Und als die Jahre vergingen, schien es tatsächlich unvermeidlich, dass er Ulric irgendwann zum Kampf um die Führung des seinen herausfordern würde. Der Rudelführer war jedoch sehr beliebt, und selbst wenn Bastien Luce ihn besiegen könnte, würde das Rudel ihn, Bastien, nicht wollen. Sie trauten ihm nicht zu, so gut zu herrschen wie Ulric.
Und Bastien war nicht einmal sicher, ob er selbst es sich zutraute.
Das ist es, dachte er, warum ich mich so stark zu der Bäckerei hingezogen fühle. Die Wärme dort, die wundervollen, beruhigenden Düfte und die Geschichte, die ihr anhaftete wie ein Gewürz, zogen ihn unaufhaltsam an. Er hatte schon gleich zu Anfang daran gedacht, das Night Owl zu erwerben. Das Inn hatte die richtige Atmosphäre für ihn, und es gehörte reichlich Land dazu. Er hatte geglaubt, dass seine Investition sich auszahlen würde, und gehofft, seine Freunde damit zu Besuchen zu verlocken. Es war jedoch der Anblick der Bäckerei gewesen, der das Geschäft besiegelt hatte.
Er wünschte nur, dass der Anblick ihrer Besitzerin sein Schicksal nicht besiegelt hätte.
Mariann O’Faolain war feurig wie eine ihrer Fleischpasteten – eine streitlustige kleine Frau mit schlanken Gliedern und dezenten Kurven. Und trotz ihres hinreißenden Aussehens schien sie keine Eitelkeit zu kennen. Ihre nicht zu bändigende Lockenmähne war dunkel wie ihr Lieblingsgetränk, ihre Augen blau wie ein Aprilhimmel. Sie schuftete sich in ihrem Laden ab, wie nur Menschen es fertigbrachten, zwölf Stunden an einem Stück, als befürchtete sie, dass ihr Leben zu schnell enden würde, um sich totzuarbeiten. Sie hatte keinen Ehemann – im Moment zumindest nicht – und auch kein Kind, aber eine Stadt voller Bewunderer und einen struppigen Kater, dessen Temperament genauso feurig wie das ihre war.
Bastien begehrte sie mit einer Leidenschaft, die sein Blut in Flammen setzte: Er wollte sie lieben, mit ihr jagen, sie zur Königin des Königs machen, der zu sein er noch nicht wagte. Jahrhunderte würden nicht genügen, um seinen Hunger nach der Süße dieser Frau zu stillen.
Bedauerlicherweise sah es aber auch so aus, als würde er Jahrhunderte brauchen, um den Mut zu fassen, ihr den Hof zu machen. Seit er ihr begegnet war, hatte er keine zwei Worte von sich geben können, ohne über seine Zunge zu stolpern. Noch nie war er näher daran gewesen, mit Mariann zu flirten, als heute Morgen, als sein Wolf ihr aus der Hand gefressen hatte. Er hatte sie nicht erschrecken wollen, sondern nur nicht widerstehen können, zu ihrem Haus zu gehen.
Der Franzose in ihm fand seine Unbeholfenheit pathetisch; der Mann in ihm kam sich nur schrecklich hilflos vor. Wie die Amerikaner zu sagen pflegten, brachte das Verliebtsein einen Haufen Schwierigkeiten mit sich.
Sein Freund, Emile, sein einziger Gefährte im Exil, wählte ebendiesen Augenblick, um an seiner Seite zu erscheinen, und ganz sicher nicht durch Zufall. Er trug seine üblichen Jeans und ein Polohemd, und an den Sohlen seiner Laufschuhe blinkten kleine Lichter. Laufen war eine Betätigung, die Emile mit Begeisterung übernommen hatte. Vor langer Zeit hatte er fast seine Beine verloren. Die enormen Anstrengungen, die Bastien unternommen hatte, um Emile zu retten, waren etwas, worüber keiner von ihnen je sprach. Im Grunde ihres Herzens Brüder, hatten sie einander immer ähnlich gesehen, was zu der kleinen Lüge geführt hatte, sie seien Verwandte. Paradoxerweise hatte der drohende Tod Emile eine humorvollere Lebensauffassung gegeben. Anders als sein »Cousin«, nahm er die Dinge, wie sie kamen, und war dankbar für das, was er hatte.
Für einen Moment begnügte er sich damit, dazustehen und die Nacht auf sich einwirken zu lassen. Leider war Friede für Emile nie so reizvoll wie die Möglichkeit, jemanden aufzuziehen. »Weißt du«, sagte er mit einem Lächeln in der Stimme, »Mariann wird nicht beißen, wenn wir hineingehen – es sei denn, das ist es, was du dir erhoffst.«
Bastien errötete, was eine ziemliche Leistung war für seine Spezies. Er war nur froh, dass Emile nicht sein lächerliches morgendliches Stelldichein mit angesehen hatte.
»Verpiss dich«, sagte er, was Emile wie beabsichtigt zum Lachen brachte.
»Sehr gut, mon ami . Mach nur so weiter, dann wird bald niemand mehr erraten, dass du woanders zur Welt gekommen bist als hier.«
Nun, da Emile hier war und ihn beobachtete, konnte Bastien unmöglich noch länger draußen vor dem Geschäft stehen bleiben. Emile
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