Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
mit einem Mann zu tun zu haben.
Bis auf das Unumgängliche? Sie meinte Sex. Riordans Herz schlug schneller, und etwas Finsteres, Gefährliches erwachte in ihm, das so hässlich und explosiv war, dass ihn seine Reaktion beschämte. Juliette erzählte ihm etwas, das für sie und ihr Leben schrecklich wichtig war, und sein erster Gedanke war, dass das ›Unumgängliche‹ Sex mit anderen Männern war. Riordan verachtete sich für seine kleinlichen Gedanken. Juliette war eine schöne, sinnliche Frau, die gewiss viele Männer attraktiv fanden, und diese Tatsache sollte ihn mit Stolz auf sie erfüllen. Außerdem vertrauten Seelengefährten einander blind. Es war unmöglich, seine andere Hälfte zu belügen oder etwas vor ihr zu verbergen, und wenn sie einander besser kennenlernten, würde es ganz natürlich sein, immer mehr Zeit im Bewusstsein des anderen zu verbringen.
Ich bin kein solcher Mann, Juliette. Nicht einmal in meinen schlimmsten Momenten würde ich einer Frau oder einem Kind etwas zuleide tun. So etwas ist mir zuwider. Ich hatte keine Ahnung, dass meine zurückkehrenden Emotionen so stark und intensiv sein würden, aber ich kenne mich gut. Ich würde und könnte dir oder deiner Schwester oder Cousine niemals etwas antun.
Juliette lehnte sich an ihn, spürte das Kitzeln seiner Federn und wünschte, sie könnte sich auch in einen Vogel verwandeln. Das brauchst du mir nicht zu sagen. Ich weiß schon, dass du einer Frau nie wehtun würdest, sonst wäre ich nicht bei dir. Ich befürchte nur, dass meine Familie nicht gerade erfreut über unsere Beziehung sein wird.
Ich werde sie schon umstimmen.
Tief unter ihnen, nicht weit vom Rand des Regenwaldes entfernt, lag eine kleine Ortschaft. Riordan begann vorsichtig an Höhe zu verlieren, wobei er unablässig die Gegend unter ihnen nach Hinweisen auf einen Vampir absuchte. Du musst immer nach Gefahren Ausschau halten, bevor du dich zu erkennen gibst.
Es ist ein bisschen aufdringlich, wahllos jeden Gedanken aufzuschnappen. Sie beobachtete Riordan sehr aufmerksam und versuchte, so viel wie möglich über ihn zu erfahren. Aber nicht alles gefiel ihr. Ich würde es hassen, die Gedanken meiner Schwester oder die meiner Cousine aufzufangen.
Riordan lachte, als er sie sanft auf dem Boden absetzte und wieder seine natürliche Gestalt annahm. »Du kannst es vermeiden, die Gedanken deiner Familie zu lesen. Du wirst lernen, Dinge auszuschließen, sobald du deine Fähigkeiten verfeinerst. Fang damit an, mit Lautstärke zu experimentieren, und versuch, die Luft zu deuten. Du kannst Gefahr an ihren Schwingungen erkennen. Wenn irgendwo ein leerer Fleck ist, wo etwas, was dir natürlich erscheinen würde, nicht vorhanden ist, versucht ein Vampir, sich vor dir zu verbergen.«
»Erkennst du einen Untoten immer, wenn er dir begegnet?«
»Leider nicht. Wenn ein Vampir geschickt ist, wie beispielsweise ein Meistervampir, könnte er sich problemlos einem der Jäger nähern, ihn auf die Art und Weise meines Volkes begrüßen und dann wieder ungeschoren seiner Wege gehen.«
»Wie beängstigend!«
»Bleib hier, während ich mir Nahrung suche. Für den Moment müsstest du an diesem Ort sicher sein. Der Wald fühlt sich an, als versteckten sich sogar die Tiere.«
Juliette erstarrte. Sie war so angestrengt bemüht gewesen, wie ein Karpatianer zu denken, und so in Riordan aufgegangen, dass sie die wichtigste Regel für das Leben im Dschungel vergessen hatte: Sie hatte nicht auf das Warnsystem seiner Bewohner geachtet. Als Riordan sich von ihr entfernte, verschmolz er mit den Schatten, sodass es unmöglich war, ihn zu sehen, selbst wenn sie geradewegs zu ihm hinüberblickte.
Sie erhob ihr Gesicht in den Wind. Sie war ein Jaguarmensch, und jetzt waren ihre Sinne durch uraltes karpatianisches Blut noch zusätzlich geschärft. Juliette konnte die Dschungelnachrichten entziffern. Tiere verbargen sich, kauerten still und zitternd da und warteten, bis ein Nachtvogel signalisierte, dass sie wieder sicher waren vor Räubern.
Juliette wandte den Kopf aufmerksam in alle Richtungen und spürte, dass die Luft buchstäblich vor Gefahr vibrierte. Hier stimmte etwas nicht! Sie waren ein paar Meilen von dem Labor entfernt und noch einige von ihrem Zuhause.
Ihr Herz machte einen Satz. »Jasmine!« Ein großes Raubtier oder eine Jagdgesellschaft hatte das Gebiet durchquert und die Waldbewohner verängstigt. Oder eine ganze Gruppe Raubtiere, dachte sie, während es ihr kalt über den Rücken lief. Sie
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