Heißes Eisen
jeden kleinen Vorteil herausgezogen hatte. Ich hatte zwar langsam so etwas wie Respekt für ihn entwickelt, aber trotzdem hielt ich ihn noch für einen geborenen Sesselfurzer. Daß er sich meiner bediente, war immer noch ein Akt der schieren Verzweiflung.
»Tun Sie das.« Ich führte ihn raus in den Nieselregen und ging dann zum Toten Mann. Mal hören, was der davon hielt.
30. Kapitel
»Was? Noch mal tausend Taler, wenn ich die Sache endgültig erledige?«
Das hat der Mann versprochen. Und er hat vorher pünktlich gezahlt. Der Tote Mann fühlte sich enorm gebauchpinselt, daß er Block noch einmal dieselbe Summe aus den Rippen geleiert hatte.
»Gelegentlich beklage ich mich ja über deine Art...«
Gelegentlich? Wäre nicht häufig angemessener? Oder ständig? Möglicherweise sogar anhaltend oder auch fortgesetzt!
»Ab und zu. Immer wenn die Sieben-Jahres-Heuschrecken zirpen. Aber ich wollte diesmal auf was anderes hinaus: Es war ein Geniestreich, ihn noch mal bluten zu lassen.«
Er ist verzweifelt.
»Und Zeiten der Verzweiflung sind der reine Glücksfall für jemanden, der auf eine günstige Gelegenheit lauert. Ich verstehe. Was hältst du davon, wenn wir Kains Tochter verhören?«
Morpheus war uneingeladen aus meinem Büro in das Zimmer des Toten Mannes gekommen. Jetzt mischte er sich auch noch ungebeten in das Gespräch. »Das habe ich schon einmal aufs Tapet gebracht. Mein Vorschlag hat nicht gerade Jubelschreie ausgelöst.«
»Überlaß es mir. Ich hab Stil. Sag Beutler, daß ich über das Mädchen reden will. Nenn nicht ihren Namen. Er weiß nicht, daß ich sie kenne.«
»Ich verstehe nicht. Wieso weiß er nicht ...?«
»Du mußt es auch nicht kapieren. Erzähl ihm einfach, daß ich mit ihm über ein bestimmtes Mädchen reden will. Du brauchst nicht zu sagen, welches. Er weiß, wen ich meine. Den Rest erledigen er und ich.«
»Du trickst wieder rum, Garrett. Eigentlich solltest du es besser wissen. Bei so was landest du immer in der Scheiße. Worum geht es? Versuch nichts mit dem Kind vom Oberboß. Wenn du das vorhast, kannst du dir gleich die Pulsadern aufschneiden. Damit ersparst du uns anderen eine Menge Leid.«
»Was hältst du davon?« fragte ich den Toten Mann.
Eine Befragung des Mädchens ist vielleicht nicht sehr ergiebig, aber das kann man erst hinterher sagen. Wenn möglich, solltest du sie hierher bringen.
»Das ist das Kernstück meines genialen Plans.«
Du lügst. Aber ich hoffe, daß dein Selbsterhaltungstrieb stärker ist als deine anderen Triebe.
»Ich bin ein erwachsener Mensch, Sir, und betrachte nicht alle Angehörigen des anderen Geschlechts als Objekte der Begierde.«
Morpheus schnaubte verächtlich. »Nur die über acht und die unter achtzig.«
»Danke für deine Hilfe. Natürlich will ich nicht allein ins Bett gehen. Aber ich habe nicht vor, mich gleich für ein paar Jahrhunderte schlafen zu legen.«
Ha! Wenigstens mich hatte ich überzeugt. Bis auf diesen winzigen Teil, der sich fragte, was ich tun sollte, falls Kains Tochter eine wunderbare Wandlung unterlief und sie mich nicht nur wahrnehmen, sondern sich auch dazu durchringen würde, mir süße Liebkosungen ins Ohr zu hauchen ... Manchmal stellen selbst die härtesten unter uns strahlenden Rittern fest, daß die Gebote der Vernunft, des Gewissens und des Überlebens von etwas überstimmt werden, das dem Verstand einfach nicht zugänglich ist. In jedem von uns lauert ein Soziopath, der nur darauf wartet, den unvermeidlichen Zusammenhang zwischen einer Handlung und ihrer Konsequenz zu übersehen.
»Klar doch.« Morpheus glaubte mir offenbar nicht.
Mir drängte sich der Eindruck auf, daß ich den Toten Mann ebenfalls nicht überzeugt hatte.
Meine Zweifel waren weniger apokalyptisch. Ich hatte genug Frauen kennengelernt, daß ich den verlockenden Gesängen der Vorstellungskraft gegenüber taub war. Ich würde vielleicht schnauben, stampfen und sogar wiehern, aber ich würde nicht die Beherrschung verlieren. Sie war einfach nicht mein Typ.
Wir plauderten noch ein wenig über dies und das, bis Morpheus genug schlechte Nachrichten gehört hatte. »Ich bin schon zu lange unterwegs«, sagte er. »Paddel, Beißer und der Kleine haben mich bestimmt schon ins Armenhaus gebracht.«
»Klar. Und ich werde zum König von Venageta gekrönt.« Ich brachte Morpheus raus und ging dann wieder zum Toten Mann.
Was jetzt, Garrett?
»Ich überlege, ob ich nicht ein Schläfchen machen soll.«
Ach wirklich? Was ist mit dem
Weitere Kostenlose Bücher