Heißes Geld
überzeugt und beglückt worden. Sie verabredeten, sich am Sonntag Mittag auf Frankfurts Rhein-Main-Flughafen zu treffen und dann – wie auch immer – gemeinsam an den Niederrhein und in das Ruhrgebiet weiterzureisen.
Nareike fühlte sich bei dem Gespräch, auf das er vorbereitet gewesen war, elender als bei der überraschenden Konfrontation mit Saumweber. Dabei wäre es sicher leichter, eine besessene 50jährige hereinzulegen als einen mit allen Tricks, Gemeinheiten und Finessen vertrauten Doppelagenten. Er ging mit schweißnassen Haaren aus der Kabine an den Postschalter zurück, um die Gebühr zu bezahlen.
Der Tag hatte alles durcheinander gebracht, eine vernarbte Wunde aufgebrochen, aus der nun wieder Blut, Eiter und Dreck flossen – aber er war jetzt auf die neue Situation eingestellt. Das bedeutete Rettung, und ein Linsenbusch würde womöglich eine Schlacht, nie jedoch einen Krieg verlieren.
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er litt unter der Hitze, doch sein Verstand blieb unterkühlt. Hannelore war zunächst einmal ausgeschaltet, ohne daß er – wie zu Beginn des Telefonats erwogen – in einer Blitzaktion nach München fliegen und sie beseitigen müßte. Er hatte nur noch eine Himmler-Kapsel, und für diese hatte er einen würdigeren Anwärter.
Zunächst mußte er die Tickets nach Rio umtauschen, um sich am Montag den Fluchtweg freizuhalten. Im Laufe des Nachmittags würde er sich dann nach einem provisorischen Grab für den Erpresser umsehen. Saumwebers Leiche brauchte nicht für alle Zeiten zu verschwinden, nur für Tage, besser allerdings für Wochen. Linsenbuschs erste Vorstellung war, ihn in einen Rupfensack zu stecken und in den nahen Bergen einen Steilhang hinabzuwerfen. Man würde den Vermissten dann vielleicht in einem halben Jahr finden oder auch nie …
Kurz vor zwölf, gerade als sich die Angestellten zur Mittagspause zurückziehen wollten, betrat Linsenbusch ein Reisebüro. Nur noch eine ältere Kundin verhandelte am Nebenschalter.
»Leider kann ich erst am Montag nach Rio fliegen«, sagte Nareike zu dem Inhaber, »und möchte deshalb die Flugscheine umschreiben lassen.«
Der Mann blätterte in den Luftverkehrsplänen: »Kein Direktflug am Montag«, erklärte er dann, »aber Sie könnten von Mailand nach Lissabon fliegen und dann in die Panair do Brasil-Maschine umsteigen.«
»Das würde mir nichts ausmachen«, antwortete Nareike und sah, daß einer dieser US-Golfer aus dem ›La Palma‹ das Reisebüro betrat, sich an den Nebenschalter begab um, verrückt wie diese Yankees nun einmal waren, trotz der Hitze Karten für eine Theateraufführung zu erstehen.
»Nach Locarno kommen nur Wanderbühnen von Zeit zu Zeit«, erklärte ihm die Englisch sprechende Tessinerin geduldig. »Aber heute abend würde ein Orgelkonzert …«
»Okay«, erwiderte der Amerikaner: »Two tickets, please.«
Nareike hinterließ seine Hoteladresse, und der Inhaber des Reisebüros versprach, die Umbuchung noch im Laufe des Nachmittags zu bestätigen. Beim Verlassen stellte er fest, daß die tüchtige Verkäuferin dem Golfer tatsächlich das Orgelkonzert in der Chiesa San Francesco angedreht hatte, und Nareike lachte, weil diese Amerikaner einfach alles schluckten – Bach, Händel und Buxtehude genauso, wie Tagliatelle mit ›meat balls‹.
Auf dem Weg ins ›La Palma‹ begegnete er Sabine, sie trat aus der Boutique ›Al lago‹ und war so befriedigt über ihren Kauf, daß sie sich über die vorzeitige Begegnung mit Nareike freute. »Toll«, begrüßte sie ihn. »Ich habe mir ein Sommerkleid gekauft, ziemlich durchsichtig und sehr kess. Es wird auf der linken Schulter nur von einer Schleife gehalten. Ein Ruck, und du stehst im Freien.« Sie küsste ihn flüchtig auf die Nasenspitze und lächelte verheißungsvoll: »Wenn du artig bist«, versprach sie dann unverbindlich, »darfst du eines Tages zupfen.«
»Nachher, im Hotel?« fragte er.
»Geduld ist doch deine Tugend«, antwortete Sabine mit feinem Spott. »Sind wir in Eile?«
»Überhaupt nicht«, entgegnete Nareike. »Die Bank hatte zu wenig Geld. Wir müssen noch bis Montag morgen hier bleiben.«
»Das ist ja herrlich«, erwiderte sie. »Ich finde es hier wunderschön. Du nicht?«
Nareike nickte und lächelte, er lächelte auch bei Tisch, obwohl er nicht viel Appetit hatte. Er sah Feller, den Yankee mit den Karten für das Kirchenkonzert wieder und Sabine folgte seinem Blick. »Der wird sich vielleicht wundern«, sagte er: »Der
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