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Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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heute in dieser Runde fehlte.
    Nareike begann sich zu langweilen und wandte sich wieder brennenderen Problemen zu: Er nahm einen Vorschuss auf seine tiefgefrorene und überraschend wieder aufgetaute Rache. Plötzlich horchte er auf, hörte aufmerksam den Einzelheiten eines Unfalls zu, der sich vor drei Wochen ereignet hatte und noch immer Asconeser Tagesgespräch war: Ein junges Liebespaar, bei der Rückkehr von einem Familienfest mit dem Wagen von der Seestraße abgekommen, war an einer der tiefsten Stellen in den Lago Maggiore gerast.
    »… seitdem werden sie gesucht. Ununterbrochen, und noch immer keine Spur …«
    »Schlimm«, erwiderte Nareike. »Und wo hat sich das ereignet?«
    »Zwischen Porto Ronco und Brissago«, antwortete der Mann.
    »Furchtbar, die einzige Tochter und der einzige Sohn. Die Taucher haben noch nicht einmal den Wagen gefunden.«
    Der Wirt sang wieder, und alle grölten den Refrain mit, auch Nareike.
    »Hast du etwas dagegen, wenn ich mich morgen im Wasserskilauf versuche?« fragte ihn Sabine.
    »Aber nicht doch«, erwiderte er. »Sei bitte vorsichtig. Du weißt schon«, setzte er grinsend hinzu: »Auf einem Seemannsgrab blüh'n keine Rosen.«
    Er mußte sich beherrschen, um nicht jetzt gleich loszufahren und noch in der Nacht die Stelle zu suchen, an der er morgen seinen Erpresser in die Tiefe des Sees versenken würde.
    Der erste Flug in Hannelores Leben war kein Höhenflug. Sie hatte sich gegen das alte Misstrauen, das von Anruf zu Anruf schlimmer geworden war, tapfer gewehrt. Sie mußte an Horst glauben, wenn sie nun endlich wieder in ein Leben zu zweit mit ihm eintreten wollte. Doch auf einmal fürchtete sie wiederum in ein Gespinst von Beschwichtigungen und Lügen eingesponnen zu werden. Die Behauptungen ihres Mannes klangen, jede für sich, einleuchtend, und seine neuerlichen Schmeicheleien taten ihr gut, aber ihr Instinkt suggerierte ihr, daß eine andere neben Horst stünde, und daß er sich vor jedem Gespräch die Worte zurechtlegte wie abgegriffene Münzen, mit denen man Telefonautomaten fütterte.
    Die letzten dreieinhalb Tage hatten sie gezeichnet, Angst und Erwartung ihr Bewußtsein durchpflügt und tiefe Furchen in ihr Gesicht gezogen. Sie konnte mit niemanden über ihre Drangsal reden. Horsts Anrufe waren von ihrem Gedächtnis fast so wortgetreu gespeichert worden, wie auf dem Tonband des Kriminalinspektors a.D. Georg Vollmer. Hannelore ließ sie immer wieder von der Spule und merkte zunehmend, wie miserabel die Tonqualität war: Mehr Horst als Hi-Fi »– sollten wir uns wider Erwarten durch Verspätung oder sonst eine Panne morgen Mittag am Rhein-Main-Flughafen verfehlen, dann treffen wir uns im ›Intercontinental‹«, wiederholte eine Geisterstimme stereotyp: »Du weißt schon, unser Ersatztreffpunkt wäre dann dieser neue, supermoderne Betonklotz direkt am Mainufer. In jedem Fall ist dort für uns ein Quartier reserviert. Wer zuerst kommt, bezieht es, und der andere ruft sobald wie möglich dort an. Alles mitbekommen, altes Mädchen?«
    »Möchten Sie einen Imbiss, gnädige Frau?« fragte die Stewardess, eine hochgewachsene Blondine.
    »Nein«, erwiderte die Reisende zerstreut.
    »Vielleicht doch eine Kleinigkeit?«
    »Belästigen Sie mich nicht«, fuhr Hannelore sie so grob und so verächtlich an, daß die anderen Passagiere – unter ihnen Barbara Geliert – sie unwillig musterten. Sowie die junge Juristin erfahren hatte, daß die Frau aus dem Apartment 111 beim Portier ein Flugticket nach Frankfurt bestellt hatte, war sie entschlossen gewesen, mit einem Umweg über die Mainstadt nach Mailand zu reisen, und so hatte Hannelore Linsenbusch – ohne es zu wissen – an der Hotelrezeption gleich zwei Flugplätze bestellt.
    Die Maschine landete pünktlich um 9 Uhr 32. Die Passagiere gingen über die Bordtreppe und hasteten zielstrebig den Ausgängen zu. Einige hielten Ausschau nach Angehörigen, und es kam zu höflichen und auch zu stürmischen Begrüßungsszenen. Mitten im Trubel stand eine Einsame, verstört, verloren. Es war ihr anzusehen, daß sie an ihrem Schicksal so schwer trug wie an ihrem Koffer.
    Sie setzte ihn ab, sah auf die Uhr. Sie ahnte, daß sie wiederum vergeblich warten würde, und harrte aus, stur und trostlos. Sie fixierte den Ausgang, durch den die Binnenpassagiere kamen: Alle paar Minuten in dichtgescharten Pulks jetzt aus Düsseldorf – aber unter den Angekommenen war keiner, der Horst auch nur ähnlich gesehen hätte.
    Dann fragte sie am

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