Heißes Geld
fühlte sich Seligmann von dem Mann bedroht, den Sie verfolgen?«
Knapp, schnell und präzise erklärte Henry W. Feller die Zusammenhänge, zumindest soweit er es für nötig hielt. »Wir sitzen hier und reden«, schloß der Anwalt. »Es steht mir nicht zu, Ihnen Ratschläge zu erteilen, aber an Ihrer Stelle würde ich Linsenbusch sofort sistieren lassen.«
»Gut, daß Sie mir sagen, was ich zu tun habe«, erwiderte der kleine Kommissar.
»Und vor allem die Grenzstationen …«
»Zu spät«, antwortete Voltini. »Linsenbusch ist vor einer halben Stunde von Ascona mit dem Lufttaxi nach Mailand geflogen.«
»Sie haben doch sicher Verbindungen zur italienischen Kripo.«
»Verbindungen ja, aber keine Handhabe.«
»Ich werde sie Ihnen verschaffen«, versetzte Feller. »Ich konnte gestern nicht schlafen. Ich ging spazieren. Zunächst ziellos. Dabei kam ich in die Nähe der Villa ›Favorita‹. Es war bereits nach Mitternacht …«
»Zufällig?« unterbrach ihn der Kommissar.
»Vielleicht auch instinktiv«, räumte der Amerikaner ein. »Jedenfalls öffnete sich in diesem Moment das Garagentor. Der Fiat fuhr heraus. Ganz nahe an mir vorbei. Ich sah, daß Linsenbusch chauffierte und Saumweber neben ihm saß, wie schlafend oder betäubt. Der Wagen fuhr Richtung See.«
»Sie haben die beiden mit Sicherheit erkannt?«
»Ja.«
»Sie würden das in einer Gerichtsverhandlung beeiden?«
»Ja.«
Voltini lehnte sich zurück, und Feller, der ihn beobachtete, war sicher, daß sie gleichzeitig dasselbe dachten. Man könnte Linsenbusch zum Beispiel wegen falscher Namensführung oder illegaler Einreise festnehmen und so lange festhalten, bis die verstärkten Nachforschungen am Tatort neue Beweise lieferten. Wenn man Saumwebers Leiche fände, ließe sich feststellen, woran der Mann gestorben war.
»Etwas anderes«, gab der Kommissar der Vernehmung eine neue Wendung: »Sie haben eine Reisebegleiterin?«
»Fräulein Dr. Geliert«, antwortete der Amerikaner. »Sie arbeitet für eine Frankfurter Anwaltskanzlei, die unsere Interessen in Deutschland vertritt.«
»Und wo ist Ihre Kollegin jetzt?« fragte der Kommissar.
»Sie sollte im Hotel sein …«
»Sollte«, entgegnete Voltini. »Ist sie aber nicht. Sie ist mit dem Wagen weggefahren …«
»Vielleicht auf Spazierfahrt. Kein Wunder, in dieser prächtigen Umgebung …«
»Freut mich, daß Ihnen unser Land gefällt«, erwiderte der Kriminalbeamte: »Aber es sind zur Zeit mehrere Personen unauffindbar: Zuerst verschwindet Saumweber, dann Linsenbusch, dann die angebliche Frau Nareike und jetzt auch noch Ihre Kollegin.« Er lächelte säuerlich. »Da fragt man sich zwangsläufig, wie lange wir noch mit Ihrer Anwesenheit rechnen dürfen.«
»Gut, daß Sie mich fragen«, versetzte Feller. »Es kann sein, daß ich in dringender geschäftlicher Angelegenheit nach Zürich muß.« Er zeigte eine betont harmlose Miene, aber er wußte, daß ihm Voltini längst misstraute. »Bedenken?«
»Nicht, wenn Sie sich an einige Auflagen halten«, erwiderte der Kommissar. »Zum Beispiel: Sie kommen jetzt mit in mein Büro, und wir protokollieren Ihre Aussage. Außerdem unterlassen Sie in unserem Land alles, was Ihnen als illegale Handlung ausgelegt werden könnte.«
Voltini erhob sich, und Feller folgte ihm; der Beamte blieb höflich, aber er zeigte auch an, daß er keinen Trottel aus sich machen ließe. Den Zwischenfall mit dem Bordcase mußte er erfahren haben; aber er kannte den Inhalt nicht, denn selbst in einem Tratschnest wie Locarno blieb die Bankdiskretion zunächst gewahrt.
Zu Fuß gingen sie unter den Arkaden zur Polizeistation. Der Mann aus New York diktierte einer Sekretärin seine Aussage ins Protokoll.
Er fürchtete, daß Voltinis Männer Barbara auf dem Bahnhof in Bellinzona noch abfangen könnten, aber die Überraschung brachte ein Anruf aus Mailand: Der Anwalt konnte dem italienischen Dialog nichts entnehmen, aber er sah, daß der wendige Fachmann erstmals richtig lächelte.
»Linsenbusch ist von Mailand abgeflogen«, sagte er.
»Kein Grund zur Heiterkeit«, versetzte Feller.
»Nicht nach Südamerika«, erläuterte Voltini endlich. »Nach Düsseldorf.«
»Ist das sicher?« fragte der Amerikaner verblüfft.
»Absolut«, erwiderte der Polizeibeamte.
Sie konnten zunächst beide nichts mit dieser Meldung anfangen, aber sie wußten, daß – träfe sie zu – der Verfolgte in der Falle säße.
Er reiste nicht als Schaffranzky, sondern als Nareike. Er flog nicht in
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