Heißes Geld
und wie und mit wem Horst gelebt hatte. Sie war von dem Gedanken besessen, ihm heimzuzahlen, was er ihr angetan hatte, und sie wollte keine Zeit mehr versäumen.
Sie ging in die Küche, füllte ein Glas halb voll mit Wasser, öffnete den Schraubverschluß des Pflanzenschutzmittels, das ein hervorragendes Präparat zur Vernichtung von Ungeziefer war, aber unter den Menschen eine Mord- und Selbstmordwelle ausgelöst hatte.
Es würde kein schöner Tod sein, aber je abscheulicher er wäre, desto logischer erschien es der Verbitterten, und manche Verzweifelten bestiegen in ihrer Situation Kirchtürme, Hochhäuser und Brücken für ihren Abgang.
Hannelore dachte an das Testament in Rosenheim, und sie überlegte, daß Horst nicht viel Zeit verbliebe, sich darüber zu freuen, daß er sie nun losgeworden wäre. Er würde künftig dafür an einem Ort verwahrt, wo es keine Blondinen gäbe und ihm Dingsbach vergleichsweise wie der Himmel auf Erden erscheinen müßte. Wenn Hannelore daran dachte, war sie eigentlich ganz zufrieden, und viel Talent zum Glücklichsein hatte sie ja nie gehabt.
Der Zwischenfall vor dem Eingang des ›La Palma‹ war schnell, lautstark und turbulent verlaufen; für das Hotel ein Ärgernis, für die Gäste auf der Früstücksterrasse ein Spektakel. Ohne Vorwarnung war über ihre Köpfe hinweg eine Ledertasche geflogen und von einem hübschen Tessiner aufgefangen worden. Während die meisten der Umsitzenden lachten und einige über die Art der Gepäckbeförderung schimpften, rollte der Bus, der die US-Golfer abholen sollte, heran. Sein Fahrer fand die Anfahrt besetzt und hupte wütend.
Der baumlange Türsteher, der sich schon zuvor mit dem Wasserskilehrer gestritten hatte, stürzte sich wild gestikulierend auf René, und einen Moment lang sah es aus, als wollten die beiden sich prügeln.
Im allgemeinen Durcheinander stieg Henry W. Feller in den Porsche, Sekunden bevor der Junge wieder an das Steuer zurückkehrte.
»Was machen Sie hier?« fuhr er den Amerikaner an.
»Go ahead! Step on it! Legen Sie endlich den verdammten Gang ein!«
Das Cabrio sprang mit einem Satz aus dem Hexenkessel, und die Zuschauer wandten sich wieder ihrer piccola colazione zu.
»Was haben Sie in meinem Wagen zu suchen?« fragte René Puccini.
»Es ist nicht Ihr Wagen«, entgegnete Feller. »Und es ist auch nicht Ihr Geld, das in dieser Tasche steckt. Ich bin ein Rechtsanwalt aus New York«, fuhr er fort. »Und was Sie begehen, ist Diebstahl, womöglich sogar Raub, zumindest Fundunterschlagung.«
Der Junge starrte trotzig geradeaus, aber seine Finger zappelten nervös am Lenkrad.
»Zwar kenne ich die Tessiner Gesetze nicht, aber wie es aussieht, wird Ihre nächste Reise nicht nach Hawaii, sondern ins Kantonalgefängnis führen.«
Er merkte, daß der Wasserskilehrer kopflos in der engen Locarneser Innenstadt herumfuhr. Er war gewohnt, einsamen Witwen das Geld aus der Tasche zu ziehen, aber er war keiner der üblichen Langfinger und schon gar kein Millionendieb: Klimakterierinnen ließen sich wohl auch leichter festhalten als heißes Geld.
»Weiter«, bluffte der Amerikaner. »Zur Polizei!«
Die nächste Ampel stand auf rot; sie wurden eingekeilt, und es sah so aus, als wollte René aus dem Wagen springen. Porsche und Tasche zurücklassend.
»Sie können Sabine jetzt doch nicht im Stich lassen«, sagte Feller. »Wo sind Sie mit ihr verabredet?«
»Im Café ›al Lago‹.«
»Fahren Sie hin!« befahl ihm der Amerikaner.
Es war ganz in der Nähe. Der Junge parkte auf dem Gehsteig. Beim Aussteigen griff Henry wie selbstverständlich nach der Nappa-Tasche und stellte sie dann, als sie in dem Straßen-Cafe Platz genommen hatten, zwischen seine Beine.
Sie warteten und schwiegen.
Überraschend schnell erschien Sabine, abgehetzt, mit aufgelösten Haaren. Ihr Gesicht wies gleichermaßen Nareikes Misshandlungen wie einen wilden Triumph aus.
Sie sah, daß René nicht allein war und blieb stehen.
Feller erhob sich: »Kommen Sie, Fräulein Littmann«, sagte er. »Wir haben miteinander zu sprechen.«
Sie ging wie geschoben, nahm dann am Tisch Platz.
»Rechtsanwalt Feller von der Kanzlei Brown, Spencer und Roskoe in New York«, stellte er sich vor.
»Sind Sie nicht der Mann, der zu Barbara gehört?« unterbrach ihn Sabine.
»Richtig«, bestätigte er. »Und Sie sind der Hotelgast, der sich für Frau Nareike ausgibt.«
»Falsch«, versetzte sie. »Nicht ich gebe mich dafür aus, sondern er gab mich dafür
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