Heißes Geld
auch für Frankreich. Es ist anzunehmen, daß ihnen der Name Linsenbusch nicht unbekannt ist.«
»Dann wäre also Ludwigsburg mein erster Schritt?«
»Schon getan«, antwortete der Kriminalist. »Du wolltest doch einen Assistenten. Ich hab' ihn gefunden, und er arbeitet bereits seit zwei Tagen dort vor Ort. Er ist jung, spricht fließend englisch und französisch und arbeitet – wie du gleich sehen wirst – auch am Wochenende. Dein Assistent ist Assessor in der Kanzlei Dr. Robert Kempners, der sich vorwiegend mit der Erbschaft des Dritten Reiches befasst.«
»Bestens«, entgegnete Henry.
»Ein Einser-Jurist, übrigens …« setzte Sigi hinzu.
»Dear me«, erwiderte Henry erschrocken: »Da kommt wohl etwas auf mich zu.«
»Allerdings«, versetzte der Freund trocken und lächelte hintergründig: »Es handelt sich nämlich um eine Einser-Juristin«, er grinste schadenfroh: »Noch 'n Lichtblick: Die Frau, die du suchst, heißt Hannelore mit dem Vornamen. Also: Hannelore Linsenbusch. Ich hab's gewissermaßen aus dem braunen Who's who«, erläuterte der Kriminalrat. »Die Gesuchte ist die einzige Tochter des früheren Reichsleiters Dannemann, der sich beim Zusammenbruch zusammen mit seiner Frau vergiftet hat.«
»Kannst du in deinem Nazihandbuch auch ein Foto von Hannelore oder Horst Linsenbusch finden?«
»Nein. Auch nicht in Zeitungsarchiven. Nirgends. Die beiden gehörten nicht zur ersten Garnitur. Es gibt nur ein Fahndungsfoto.«
»Das hab' ich schon«, antwortete Feller. Dann entnahm er seinem Bordcase Lydias Zeichnungen. »Sieh dir das an: Linsenbusch in fünf Versionen.« Er schob Sigi die Skizzen zu. »Kann sein, daß alle fünf falsch sind, aber eine könnte stimmen.«
»Du suchst die Frau, um an den verschollenen Mann heranzukommen?« fragte der Kriminalrat und betrachtete Lydias Zeichnungen.
»Richtig«, bestätigte Henry. »Wie hoch schätzt du meine Chancen ein?«
Sigi sah zum Fenster hinaus, auf die lange Einkaufsallee, die jetzt wieder Kaiserstraße hieß, in der City einer Stadt gelegen, in der es mehr Hunde als Bäume gab und die Bäume trotzdem in den Himmel zu wachsen schienen. »Angenommen, die Gesuchte gehört nicht zu den Hunderttausenden von Menschen, die auf der Flucht vor den Russen in Schneestürmen oder unter Panzerketten umgekommen sind, weiterhin angenommen, sie lebt irgendwo im Westen unter ihrem richtigen Namen und ist polizeilich gemeldet, dann haben wir eine Chance, Hannelore Linsenbusch zu finden.«
»Also eine Rechnung mit mehreren Unbekannten«, antwortete Henry.
»So ungefähr«, erwiderte Kriminalrat Geliert. »Die Polizeihoheit liegt in der Bundesrepublik bei den Ländern, und das sind – mit Berlin – elf. Wenn du die Sache konzentriert anfassen willst, mußt du gleichzeitig von München, Stuttgart, Mainz, Wiesbaden, Saarbrücken, Düsseldorf, Hannover, Hamburg, Bremen, Kiel und Berlin aus fahnden. Kapiert?«
Henry nickte Zustimmung.
»Um das zu veranlassen, brauchen wir einen handfesten Grund, und den haben wir nicht.« Um seine pessimistischen Prognosen etwas aufzuhellen, kalauerte er: »Aber nicht verzagen – Sigi fragen. Wenn wir keinen Grund haben, dann pfeifen wir eben darauf. Ich habe bei vielen Dienststellen alte Freunde und gute Kollegen sitzen, denen helfe ich gelegentlich und dann sie wieder mir. Verstehste, nach dem System: Eine Hand wäscht die andere.« Er lachte lautlos. »Und so haben wir alle saubere Hände.« Er sah, daß Henry lächelte und nickte grimmig: »Ansonsten muß ich dich weiter mit meinen Alternativen quälen«, fuhr der Kriminalrat fort: »Wenn wir die richtige Frau Linsenbusch finden, ergibt sich die Frage, ob sie mit ihrem verschollenen Mann Verbindung hat oder nicht. Wäre es der Fall, dann finden wir ihn natürlich über kurz oder lang. Dann freilich kannst du ihm, falls er sich etwas übervorsichtig oder zu ängstlich im Verborgenen gehalten haben sollte, gleich mitteilen, daß ihm – juristisch gesehen – eigentlich gar nichts mehr passieren wird.«
»Wenigstens nicht viel«, wiederholte Henry und wiederholte ohne Betonung: »Juristisch gesehen.«
»Vertrittst du finanzielle Interessen oder strafrechtliche?«, fragte Sigi.
»Ich möchte, daß der Mann bestraft und die Beute wieder dem rechtmäßigen Eigentümer zugeführt wird.«
»Himmel«, entgegnete der Kriminalrat, »Michael Kohlhaas auf amerikanisch.« Er stand auf, klopfte dem Freund auf die Schulter. »Was immer du planst – du hast einen Komplizen«,
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