Heißes Geld
dessen Zukunft kein geänderter Überleitungsvertrag im Wege stünde. Der Countdown zum großen Glück hatte begonnen und lief: Sonntag, Montag, Dienstag. Am Mittwoch würde er Witwer. Am Donnerstag Sabines Reisebegleiter in den Urlaub. Am Freitag fünffacher Millionär, in Mark und in bar.
Im Vorjahr war er mit Hannelore in den Dingsbacher Bergen gewandert, im Gänsemarsch, schweigend. Seine Frau und Mitwisserin hatte verzückt die Natur betrachtet und beteuert, wieviel ihr diese Wochen Gemeinsamkeit gäben, da sie nur dafür lebe. Er hatte hinter ihr gestanden. Ein kleiner Stoß, und der Fall wäre ausgestanden gewesen. Aber sein Arm war zu einem Feigling geworden, und dafür gratulierte er sich hinterher: Einmal hatte er Hannelore als Antragstellerin für seine Todeserklärung noch benötigt, und dann sah ihr längst programmiertes Ableben vor: Keine Exaltation, keine dramatische Aktion, keinen Sturz vom Bergkamm, kein Blutvergießen, keine äußere Gewaltanwendung. Wenn die Tat perfekt sein sollte, müßte seine Mitwisserin so unauffällig aus der Welt abtreten, wie sie gelebt hatte, und dabei wären jeder Zufall und jede Panne auszuschalten. Hannelores Hinscheiden würde nicht nach einem Verbrechen aussehen, sondern nach einer der schlichten Alltagstragödien, wie sie im Lokalteil örtlicher Zeitungen mit zwei Zeilen als Selbstmord aus Lebensüberdruss abgespeist werden.
Er verstaute die beiden Ampullen wieder sorgfältig im Innensafe, griff dann nach den gebündelten Geldscheinen, riß die Banderolen durch und mischte die Banknoten zu einem unordentlichen Berg, zu einem Sammelsurium von Hundertern und Fünfzigern – er hatte seinen Köder ausgelegt.
Sabine war noch immer im Badezimmer, und Nareike nutzte die Zeit und räumte auf, denn am Wochenende kam die vom Werk gestellte Reinemachefrau nicht. Er hatte sich daran gewöhnt, selbst für Ordnung zu sorgen, wie in der ersten Zeit seines Untertauchens. Er spürte, daß seine alte Tatkraft zurückgekehrt war, und er brauchte sie auch, denn die Flurbereinigung mit Hannelore war leichter geplant als erledigt. Davon abgesehen, daß er aus diesen Dingen seit über 17 Jahren heraus war, hatte er persönlich nie einen Mord begangen, sondern ihn allenfalls vom Schreibtisch aus arrangiert. Er wußte, daß es der Henker schwerer hatte als der Richter – und er wäre beides. Aus der Falle, in die Hannelore am nächsten Mittwoch liefe, gäbe es kein Entkommen. Als freier Mann würde er dann seine Dollarmillion bergen, denn er brauchte Geld, viel Geld, sehr viel mehr, als er hatte. Als homme à femmes wußte er, daß mit 50 die Liebe teuer wird, und er rechnete, mehr biologisch als mathematisch, daß er sein Kapital verdoppeln könnte, wenn er es mit Sabine teilen würde. Früher hätte ein Mann wie er spöttisch festgestellt, daß hier mehr Rechenmeister Adam als Riese kalkuliere, aber er sagte sich, daß für einen Mann, der sich seinem 60. Geburtstag nähert, die Regel gelte: Keine Liebe ohne Kasse.
Nareike deckte den Tisch, richtete ein Kater-Frühstück.
Sabine kam mit federnden Schritten aus dem Bad. Sie hatte ein Badetuch um die bloße Haut gewickelt, ihre Bewegungen vereinigten sich zu einer schönen Melodie. Rhapsodie in Sex. Sie sah frisch und unberührbar aus, trat in den Lichtkreis der Sonne, und aus ihren Haaren schossen blonde Flammen.
»Hast du Ärger gehabt?« fragte sie.
»Wieso?«
Sabine wies mit der Hand auf das Telefon.
»Telefongespräche empfinde ich meistens als ärgerlich.«
Er ging auf sie zu, zog sie an sich, küsste sie auf die Stirne. Befremdet spürte Sabine wieder ungewohntes Verlangen, machte sich steif, drängte ihn weg, griff nach dem Sekt. »Oh, du hast aufgeräumt«, sagte sie. »Du bist wirklich tüchtig.« Ihre Lippen spitzten sich zu Spott: »In allen Lebenslagen.«
»Verlass dich drauf«, erwiderte er.
»Tut mir leid, daß ich vorhin so pampig zu dir war.«
»Pampig währt am längsten«, alberte Nareike grinsend.
»Du warst immer ein angenehmer Chef«, antwortete Sabine. »Und du hast dich heute Nacht bei diesem dummen Zwischenfall benommen wie ein Herr.« Sie lächelte schräg: »Wenn man davon absieht, was nachher kam.«
»Einmal mußte es kommen«, entgegnete er. »Du kannst nicht dein ganzes Leben wegen eines dreckigen Russen …«
»Lass das bitte …«
»… verklemmt sein. Wenn ich für nichts gut bin«, fuhr er fort, »aber das gewöhne ich dir ab.« Er grinste. »Meine Eltern hatten mal eine Kätzin. Ein
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