Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
erwiderte er.
    »Unter der Hand«, versetzte Henry und grinste. »Gibt es eigentlich die Idylle Sachsenhausen noch?«
    »Wenn du willst, können wir zum Frühschoppen in den ›Grauen Bock‹ fahren.«
    »Danke«, erwiderte Henry und schüttelte den Kopf. Er war nicht nach Europa gekommen, um Äppelwoi zu trinken, aber das brauchte er vor Sigi nicht auszusprechen.
    Sabine ließ sich mit der Morgentoilette Zeit, Nareike hörte sie nebenan plätschern und stellte sie sich als Susanne im Bade vor, sah ihre schmalen Schultern, ihre festen Rundungen, das Spiel ihrer Glieder und genoß ihr vollkommenes Ebenmaß, ein Naturwunder. Sein Mund wurde trocken, sein Atem laut. Er spürte, wie die Erregung zurückkam, mächtig, so übermächtig, daß er versucht war, in das Badezimmer einzudringen und ein Dacapo der letzten Nacht zu erzwingen. Er kämpfte gegen eine Erektion an, wie er sie noch nie gehabt hatte, nie so stark, die Rache der Jahre der Kasteiung; nicht ihm gelang es, die Drangsal zu bändigen, sondern dem Telefon, das schon wieder schrillte. Er nahm an, Hannelore wollte ihn erneut provozieren – sein Zorn wurde so stark wie eben noch die Erregung.
    Er riß den Hörer von der Gabel und begriff sofort, daß Wut und Hass ins Abseits gelaufen waren.
    »Entschuldigen Sie, Herr Direktor«, sagte der Pförtner devot, »aber ich konnte wirklich nichts machen – Ihre Schwester war außer sich – und …«
    »Meine einzige Verwandte«, erläuterte der Spitzenmanager, »aber mitunter ist die so aufdringlich wie zehn zusammen.« Er lachte ungut: »War schon richtig, Pfannenstiel. Machen Sie sich keine Gedanken darüber, aber künftig bleibt es wieder bei unserer alten Regelung.«
    Er legte auf, sah in Richtung Badezimmer, aber hinter der Türe rührte sich nichts. Sabine nahm sich reichlich Zeit für ihr Make-up. Er trat an die Wand, schob eine Franz-Marc-Reproduktion beiseite und öffnete den Tresor, eine für Privatzwecke ungewöhnlich sichere Konstruktion mit einem noch einmal unterteilten Innensafe. Er hatte diese aufwendige Anschaffung der Firma gegenüber damit begründet, daß er oft über Nacht wichtige Papiere in seiner Privatwohnung verwahren müsse. Tatsächlich barg das Separat-Safe ein Arsenal für alle Fälle: Dicke Bündel Banknoten, eine geladene Pistole, einen gefälschten Paß auf den Namen Gregor Schaffranzky – er hatte ihn sich schon vor einiger Zeit in der Frankfurter Unterwelt verschafft, ohne eigentliche Notwendigkeit, so wie ein besonders umsichtiger Pilot einen Fallschirm mehr auf die Reise mitnimmt – und die beiden Himmler-Kapseln.
    Nareike entnahm sie dem Tresor, hielt eine in der linken, die andere in der rechten Hand und überlegte, welche er Hannelore bei ihrer nächsten Begegnung in das Sektglas schütten würde: Die doppelte Menge müßte noch schneller wirken; jedenfalls würde das Vorzugspräsent aus den Spättagen des Dritten Reiches mit beträchtlicher Verzögerung die rechtmäßige Adressatin doch noch erreichen.
    Ursprünglich hatten weder Hannelore noch er auf der Verteilerliste der Zyankali-Phiolen gestanden, die nur besonders Privilegierten von Partei und SS zukamen, die einen vergleichsweise bequemen Tod haben sollten; aber sein Schwiegervater, der Reichsleiter, hatte darauf bestanden, daß weder seiner Tochter noch dem Schwiegersohn ein Leben im bolschewistischen Chaos zuzumuten sei, und so wurden sie doch noch mit dem schnelltötenden Himmler-Cocktail bedacht. Nareike hatte das Zyankalifinale aufgeschoben und die Ampullen aufgehoben, und das war sehr umsichtig gewesen, denn mindestens die Hälfte der Narren, die den Nazitrunk genommen hatten, waren seiner Meinung nach sehr voreilig gewesen, wenn man bedachte, daß zum Beispiel dieser Lischka, den er aus seiner Pariser Zeit nur zu gut kannte, vollkommen unbehelligt in Köln-Holweide seinen Schäferhund spazieren führte und sein engster Mitarbeiter gerade Bürgermeister von Bürgstadt geworden war.
    Nareike wußte, daß es keine Gerechtigkeit in der Welt gäbe – er brauchte nur an diesen elenden Saumweber zu denken, seine rechte Hand bei der DEWAKO, der ihn jahrelang hintergangen und nach dem Zusammenbruch auch noch denunziert hatte – wenn aber eines Tages das Zusatzabkommen zum Uberleitungsvertrag doch noch abgeschlossen und danach grünes Licht für die Verfolgung der Judendeporteure gegeben würde, dann wären Lischka und sein Handlanger am Ende doch noch die Dummen. Und er, Nareike, der Kluge. Und Steinreiche,

Weitere Kostenlose Bücher