Heißes Geld
bemerkt, als sie kurz vor Mittag in den Parkhof seiner Behörde in Wiesbaden eingebogen waren. »Uns geht es ähnlich wie Ludwigsburg. Wir hatten keine – oder fast keine – Vollzugsgewalt. Wir sammeln Informationen, koordinieren und halten uns als Sachverständige bereit, wenn wir von den Ländern angefordert werden, die aber sehr eifersüchtig auf ihre Polizeihoheit bedacht sind.«
Sie stiegen aus und betraten das Gebäude durch einen Seiteneingang.
»Wenn zum Beispiel ein Täter von Mainz nach Wiesbaden fährt, ist nicht mehr Rheinland-Pfalz, sondern Hessen zuständig, und der Verfolger müßte theoretisch an der Landesgrenze umkehren«, erläuterte der Kriminalrat, während sie mit dem Lift nach oben fuhren: »Solche Pannen zu verhindern, ist eigentlich meine Aufgabe, und dadurch kenne ich die in den Ländern für die Planung zuständigen Beamten recht gut.«
Sie gingen über den Gang, betraten Sigis Büro. Auf dem Schreibtisch lagen die Tagesnachrichten. »Please give me a minute Henry«, sagte Sigi und ging die Meldungen rasch durch. »Nicht berühmt, die Ausbeute«, erklärte er dann. »Immerhin: The investigation is going on. Also, bis jetzt haben wir Hannelore Linsenbusch dreimal: Nummer eins ist ein 17jähriges Waisenhausmädchen und kommt nicht in Betracht. Nummer zwei ist eine Frau aus Freiburg, die seit Geburt dort gelebt hat, ebenfalls Fehlanzeige und Nummer drei«, sagte Sigi und schob dem Freund die Meldung zu: »ist 74 Jahre alt. Es ist nicht anzunehmen, daß Linsenbusch seine Großmutter geheiratet hat. So«, sagte er und stand auf, »und jetzt habe ich Hunger. Um diese Fahndung brauchst du dich nicht zu kümmern. Das ist mein Bier. Auch die Auswertung. Erst wenn ich ein Resultat habe, trittst du in Aktion!«
Sie fuhren nach Kelkheim weiter. Der Kriminalrat sah auf die Uhr: »Wir liegen noch gut in der Zeit«, stellte er fest. »Ilona wird ärgerlich, wenn das Essen verkocht.« Er wich geschickt einem Radfahrer aus und fuhr dann zügig durch die hübsche Taunuslandschaft. Sie erreichten Kelkheim, bogen am Ende des Städtchens nach links ein. Der Wagen hielt vor einem Reihenhaus mit gepflegtem Vorgarten, in dem die Blumen Platznot hatten.
Ilona stand in der Tür, mittelgroß, schwarzhaarig, glutäugig. Sie hatte sich ihr sanftes Lächeln bewahrt, hielt in der linken Hand den zappeligen Henry II, während die fünfjährige Jessica auf der anderen Seite sich ohne mütterliche Fessel gesittet benahm und artig knickste. Eigentlich sah Sigis Frau, die vor 15 Jahren als Sekretärin bei einer US-Dienststelle gearbeitet hatte, genau so aus, wie Feller erwartet hatte: Sie war ein wenig älter und fülliger geworden, dabei aber immer noch attraktiv geblieben. Damals waren alle, ob Deutsche oder Amerikaner, hinter ihr hergewesen, aber ausgerechnet der Mann mit dem Holzbein war beim Wettlauf auf das Standesamt der Schnellste gewesen, und was daraus geworden war, sah man jetzt, als nach Überreichung der Geschenke an die Kinder vorübergehend die Erziehung in Scherben ging und die Eltern gleichzeitig schimpften und lachten.
Feller küsste Ilona, dann roch er den verlockenden Küchenduft. Es war dem Gast aus Amerika, als wäre er heimgekehrt.
»Vielleicht hätten wir die Kleine nicht Jessica taufen sollen«, sagte Ilona behutsam und deutete auf ihr Nesthäkchen.
Henry schüttelte den Kopf. Er hob das hübsche Mädchen mit den großen Augen hoch. Jessica legte die Arme um seinen Nacken. Er küsste sie und stellte sie behutsam wieder auf den Boden, und einen Moment lang schwiegen sie alle betreten.
»Let's have a drink«, sagte Sigi gewollt munter und ging an seinen Schnapsschrank voraus. »Bourbon, Scotch, Gin-Tonic?« fragte er.
»Was du nimmst«, entgegnete Henry.
»Verderbt euch nicht den Appetit«, reklamierte Ilona nebenan und ließ ihnen nicht viel Zeit zum Trinken. Sie stellte duftenden Pörkölt und eine Flasche Bordeaux auf den Tisch, sie hatte Henrys unamerikanische Vorliebe für französischen Rotwein nicht vergessen.
Es war alles wieder wie damals, in der schrecklichen und eigentlich schönsten Zeit. Ab und zu wollte der Fall Linsenbusch wieder hochkriechen wie ein Maulwurf, aber der Gast aus Amerika hielt ihn unter der Erde. Ein paar Stunden wollte er Heimkehrer sein, und sonst nichts.
»Wo ist eigentlich der Balg?« fragte er und meinte Sigis kleine Schwester, die 16 Jahre jüngere Nachzüglerin, die nach dem Tod ihrer Eltern im Hause ihres Bruders aufgewachsen war.
»Ach, ja, Babs
Weitere Kostenlose Bücher