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Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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hat angerufen«, erwiderte Ilona. »Bis zum Kaffee wird sie hier sein.« Sie tauschte mit ihrem Mann einen Verschwörerblick, Henry bemerkte ihn, konnte aber damit nichts anfangen.
    Am Nachmittag zogen Wolken auf, und sie überlegten, ob sie es trotzdem riskieren sollten, den Kaffee im Garten zu nehmen. »Ich glaube, wir wagen es«, entschied Ilona. Dann schleppte sie eine riesige Torte an, ein ungeheures Gebilde. »Bitte nicht erschrecken, Henry«, sagte sie lachend. »Was meinst du, welchen Appetit unsere Kinder gleich entwickeln werden.«
    Dem Haus schräg gegenüber hielt ein VW-Cabriolet. Ein hübsches Jeansmädchen stieg aus und lief mit langen Schritten auf den Garten zu.
    »Ich glaube, ihr kriegt Besuch«, sagte Henry.
    Dann stand das Mädchen mit den großen grünen Augen, der Stupsnase und den vielen Sommersprossen im Gesicht im Garten, stürmisch empfangen von Klein Jessica und Little Henry. Sie machte sich sanft frei und ging auf den Gast aus Übersee zu. »Herzlich willkommen in Deutschland, Onkel Candy«, begrüßte sie ihn.
    Feller war etwas linkisch aufgestanden, stand reglos und stumm vor ihr. Er reagierte langsam, was an der Zeitverschiebung liegen mochte, an der jeder nach einem Nachtflug aus Übersee leidet. Er sah Sigis Grinsen und erfasste endlich, daß es sich um die kleine Schwester des Freundes handeln mußte, ein vormals dünnes Mädchen mit Zahnlücken, staksigen Beinen und einer kaum zu bändigenden Gier nach Süßigkeiten.
    »Hello, Balg«, rief der Amerikaner: »Heute nix Tschokläd, nix Tschuinggam, nix Milktoffies, nix Batterfingers.«
    Sie lachten beide.
    »Muß ich jetzt Sie zu dir sagen, Balg?« fragte Henry.
    »Untersteh dich, Onkel Candy.«
    »Wag nie mehr, mich Onkel zu nennen«, versetzte Henry und gab ihr die Hand.
    Er hätte sie gerne geküßt, aber er spürte, daß seine Hände klamm waren, obwohl er sonst wirklich wußte, wie man ein junges Mädchen, noch dazu mit ausgeprägter Weiblichkeit, anzufassen hatte. »Was machst du, Balg?« fragte er.
    »Im Moment verschnaufe ich«, erwiderte sie lachend.
    »Darf ich bekanntmachen«, schaltete sich Sigi dröhnend ein:
    »Deine Assistentin, Fräulein Dr. jur. Barbara Geliert.«
    Sie genossen alle Henrys Verblüffung, selbst die Kinder frohlockten über den Streich.
    »Du warst ein liebenswertes Monster«, versetzte der Freund aus Übersee. »Wie alt bist du jetzt?«
    »24«, erwiderte Barbara. »Junggesellin mit sturmfreier Bude, zur Zeit ohne feste Bindung. Leicht emanzipiert, trotzdem feminin.« Sie goss sich Kaffee ein: »Hoffentlich stimmt's auch. Übrigens hatten wir schon miteinander zu tun«, fuhr sie fort. »Ich meine, nicht nur über deine PX-Schätze von damals. Die Kanzlei, für die ich arbeite, ist Korrespondenzpartner von Brown, Spencer & Roskoe. Du hast nur meiner Unterschrift keine große Aufmerksamkeit beigemessen.«
    »Entschuldige bitte, Balg«, entgegnete Henry, noch immer leicht verstört: »Du kommst aus Ludwigsburg?« fragte er.
    »Mit nicht ganz leeren Händen«, erwiderte die Assessorin lebhaft.
    »Jetzt trinken wir erst einmal alle in Ruhe Kaffee«, setzte sich Ilona energisch durch und verteilte die Mandeltorte in großzügigen Schnitten. Eine Viertelstunde später saßen sie im Wohnzimmer in der gemütlichen Polsterecke. »Linsenbusch ist in Ludwigsburg bekannt«, begann Barbara. »Die Franzosen haben damals die Akten dem Bonner Justizministerium übergeben, und dieses wiederum hat sie an die Zentralstelle weitergeleitet. Und es ist so, wie in dem Brief des jüngeren Greenstone steht: Diese Bande hat sich nicht damit begnügt, die KZ-roten zu fleddern, sondern auch noch Geld von den Lebenden erpresst. Die DEWAKO holte sich ihren Nachschub zum Beispiel aus dem ›Velodrome à Hiver‹ einem Sportstadion, in dem die zu Deportierenden zusammengetrieben worden waren. Linsenbusch, der typische Schreibtischtäter und stets im Hintergrund; seine rechte Hand Saumweber, der Überläufer, nicht zu wenig in den Menschenhandel verstrickt, den sie mit Gier und Geschick betrieben. Sie nutzten Maître Krautwalds naive Anfragen als Tipps und fingen die Menschen, die freigekauft werden sollten, erst einmal in ihren Verstecken zusammen.«
    »Keine direkten Ermittlungen gegen Linsenbusch?« fragte Sigi ungeduldig.
    »Das nicht«, erwiderte Barbara, »aber Ermittlungen gegen die SIPO-Leute von Paris, unter dem Kennwort ›Lischka und andere‹ und dabei wird Linsenbusch, wenn er noch lebt, mit Sicherheit in die Schusslinie

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