Heißes Geld
geraten.«
Feller nickte.
»Übrigens sind die Leute in Ludwigsburg auf Draht und auch sehr aufgeschlossen. Ich habe ihnen deine Greenstone-Fotokopie nicht gezeigt, aber davon erzählt. Du würdest ihnen einen Gefallen tun, wenn du sie ihnen überlässt – ich wollte aber nicht über deinen Kopf hinweg entscheiden.«
Sie kamen überein, den morgigen Sonntag zu nutzen, um die französischen mit den amerikanischen Recherchen zu vergleichen. Henry wollte mit dem Taxi nach Frankfurt zurückfahren, aber Barbara chauffierte ihn mit ihrem klapprigen Cabriolet zu seinem Hotel.
»See you tomorrow«, wollte sie sich verabschieden, aber Henry lud sie noch zu einem Drink in den ›Frankfurter Hof‹ ein.
Da sie noch fahren mußte, nahm sie nur Orangensaft mit etwas Campari, und der Amerikaner schloß sich an. Sie hoben das Glas. »Schmeckt nicht schlecht«, sagte er. »Ich muß dich immer wieder ansehen. Ich kann einfach nicht begreifen, was aus dir geworden ist.«
»Damals habe ich wohl keinen überwältigenden Eindruck auf dich gemacht«, antwortete sie lachend.
»Das hast du jetzt gründlich nachgeholt«, erwiderte Henry und sah, wie ein Page eine Tafel durch die Bar trug, auf der sein Name stand. Er ging auf ihn zu: »Das bin ich«, sagte er.
»Sie werden aus New York verlangt, Mr. Feller!«
Henry entschuldigte sich bei Barbara und ging in die Zelle.
»Schwieriger als ich gedacht hätte, Henry«, sagte Mr. Roskoe, sein Seniorpartner. »Ich mußte mit ganz harten Bandagen arbeiten, um mich wegen dieses Saumwebers durchzusetzen. Aber ich denke, es ist geschafft. Montag, drei Uhr p.m. erwartet Sie Mr. Paul Rice in unserer Bonner Botschaft. Früher geht's nicht – der Mann kommt erst Montag Mittag in Bonn an. Er wird einige Zusicherungen verlangen, aber sicher bekommen Sie dann, was sie wollen. Good luck, Henry«, sagte der Alte und legte auf.
Der Anwalt ging an die Bar zurück, schob sein Getränk weg und verlangte ›Bourbon on the rocks‹.
»Ärger?« fragte Barbara.
»Ganz im Gegenteil«, erwiderte Henry, durchaus zufrieden mit seinem Einstieg in Germany und doch voller Ungeduld, obwohl er nicht erwarten konnte, an einem Tag die Versäumnisse und Zufälle von 17 Jahren aufzuholen.
Hannelore hatte den Aufstand geprobt, zum ersten Mal, nicht nur seit Horsts illegaler Zeit, sondern seit dem Beginn ihrer Problemehe überhaupt. Sie war darauf gefaßt gewesen, daß er explodieren oder sie mit Verwünschungen und Drohungen traktieren würde, – stattdessen war er auf Anhieb umgefallen. Das nahm der Einsamen Angst und Panik. Seit sie sich, mehr unbewußt, bedroht fühlte, wuchsen ihr auf einmal diabolische Abwehrkräfte. Wenn sie nicht vor dem Ziel aus dem Rennen geworfen werden wollte, mußte sie sich ab sofort gleichermaßen von Wunschdenken wie von Lebensangst freimachen.
Hannelore spürte, wie wieder Eifersucht in ihr aufstieg. Als sie sich endlich beim Pförtner durchgesetzt hatte und mit Nareikes Privatwohnung verbunden worden war, hatte ein Mädchen den Hörer abgehoben, morgens um zehn Uhr in der Nacht nach dem Sommerfest, ein Geschöpf mit einer verruchten Stimme, die nach einer Blondine klang. Natürlich sagte sich Hannelore, daß es idiotisch sei, aus dem Klang auf die Haarfarbe zu schließen, doch sie war sich ihrer Sache sicher wie ein Steilwandfahrer seiner Bahn – aus der sie Horst werfen würde, wenn sich ihr Verdacht erhärten sollte.
Spät, aber vielleicht doch nicht zu spät, bedauerte sie, auf sein Drängen hin den Antrag auf seine Todeserklärung gestellt und sich dabei strafbar gemacht zu haben. Zwar hatte Horst überzeugende Gründe aufgezählt, um sie so weit zu bringen, aber als Nareike war er doch bislang unangefochten und unverdächtig geblieben. Und – das fiel ihr leider erst jetzt ein – es hätte ja einen viel unkomplizierteren Weg gegeben: Zum Beispiel eine Scheidung von dem verschollenen Horst Linsenbusch und eine neue Ehe mit Werner Nareike. Es wäre noch nicht einmal Bigamie gewesen, denn es war ein Unterschied, ob man den gleichen Mann zweimal heiratete oder zwei verschiedene, während man an den einen noch gebunden war.
Immer wieder mußte Hannelore an die paradoxe Rechtsbelehrung denken, die ihr der Amtsrichter in Rosenheim erteilt hatte: »Verstehen Sie, Frau Linsenbusch«, hörte sie ihn sagen: »Ihr Mann wäre dann tot, selbst wenn er sich noch am Leben befände. Eine ungewöhnliche Rechtssituation: Nur auf seinen eigenen Antrag hin könnte die Todeserklärung
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