Heißes Geld
jemals wieder aufgehoben werden.«
Es hörte sich zum Lachen an, und es war bei näherer Betrachtung zum Verzweifeln. Wenn Horst ein Falschspiel mit ihr betriebe, hätte sie dabei noch Schmiere gestanden. Sie, die einzige Mitwisserin, seit jeher schweigsam wie ein Grab. Es war der zweite dumme Gemeinplatz, der sich in ihrem Unterbewusstsein einnistete – aber womöglich wäre er gar nicht so dumm? Wenn Horst sterben wollte – und dabei am Leben bleiben sollte – durfte es konsequenterweise überhaupt keine Zeugin geben, nicht einmal die eigene Frau, – ob er nun die Absicht hätte, sie zu heiraten oder sie zu beseitigen.
Hannelore verließ das Hotel ›Marienbad‹ und fuhr in den Chiemgau zurück.
Sie erlebte ein trostloses Wochenende, sie ging nicht aus dem Haus, schaltete nicht einmal das Radio ein. Aber die Stimme der Blonden wühlte weiter in ihren Sinnen. Sie haderte mit sich, daß sie nicht schon früher den Mut gefunden hatte, Horst einfach anzurufen. Es wäre besser gewesen, wenigstens einmal heimlich nach Essen zu fahren und sich in Horsts näherer Umgebung umzusehen, als reine tour d'horizon, so wie man sich in einer Gemäldesammlung einmal wenigstens das Original ansehen will, dessen Reproduktion im Wohnzimmer hängt.
Am Sonntag Mittag war Hannelore zum ersten Mal der Gedanke gekommen, wie sie sich künftig kategorisch vor Horst schützen könnte, ohne ihm zu schaden, wenn er es ehrlich mit ihr meinte. Sie wehrte sich dagegen, aber fast mit Erstaunen spürte sie, wie ihr Überlebenswille wuchs, wie die Abwehr des Körpers mit der Infektion.
Über Nacht war sie mit der Infektion, wenn es eine war, fertig geworden.
Am Montag fuhr Hannelore wieder mit dem Frühzug nach München, verließ den Hauptbahnhof in Richtung Kaufingerstraße, stand schon vor dem Notariat Dr. Erlwein, bevor es geöffnet war. Aber Hannelore hatte Zeit. Sie wartete, hassend und hoffend. Doch die 14 Minuten bis zur Öffnung waren zu wenig, um sich darüber klar zu werden, ob sie an Verfolgungswahn litte oder Beihilfe zu ihrer eigenen Ermordung geleistet hätte. Falls sie plötzlich sterben sollte, würden bei einer allein stehenden Witwe die polizeilichen Untersuchungen mit Sicherheit weniger gründlich angestellt als bei einer Frau, deren Mann noch lebte.
Hannelore Linsenbusch stand am Gang des hellen, sachlich möblierten Notariatsbüros und wartete. Eine Sekretärin wollte sie an den Kanzleivorsteher verweisen, aber die Besucherin bestand darauf, mit Dr. Erlwein persönlich zu sprechen.
Sie wirkte jetzt ruhig und gefaßt. In ihrem blassen Gesicht schwammen rote, glühende Tupfen. Sie kam sich gerissen vor und unanständig, und so schwankte sie zwischen Stolz und Scham.
Klienten kamen und gingen, das Telefon läutete unentwegt, in allen Zimmern ratterten Schreibmaschinen, Türen wurden aufgerissen und zugeschlagen, Zahlen und Summen flogen als Gesprächsfetzen von Raum zu Raum. Die Kanzlei stand im Dienst der überhitzten Hochkonjunktur, die Angestellten schwirrten durcheinander. Eine von ihnen war eine auffallende Blondine; so oft sie an der Besucherin auf dem Gang vorbeikam, gab es Hannelore einen Stich.
Endlich wurde sie vorgelassen.
»Es handelt sich«, kam sie nach der Begrüßung sofort zur Sache. »Um eine Erbgeschichte.« Sie betrachtete den Notar, einen kleinen, nervösen Mann, dessen Stirnglatze von Kranzlocken umrahmt wurde. »Ich habe Vermögen, aber keine persönlichen Erben, und ich möchte natürlich nicht, daß mein Besitz in falsche Hände kommt.«
Dr. Erlwein nickte stumm.
»Darf ich Ihnen vorher noch ein paar Fragen stellen?«
»Aber ja, Frau Linsenbusch.«
»Benötige ich bei der Abfassung eines Testaments Zeugen?«
»Nein«, entgegnete der Notar mit einer Höflichkeit, die von der Ungeduld angekränkelt war.
»Muß ich mein Testament mit der Hand niederschreiben?«
»Das können Sie«, erwiderte Dr. Erlwein, »aber Sie brauchen es nicht. Es genügt, wenn ich die Echtheit Ihrer Unterschrift beglaubige – Paß oder Kennkarte haben Sie ja bei sich?«
»Ja«, versicherte die Klientin. »Müssen Sie von dem Inhalt meiner Verfügung Kenntnis nehmen?«
»Keineswegs«, erwiderte der Notar und betrachtete Hannelore zum ersten Mal richtig. Er war an verschrobene Klienten gewohnt und mit absonderlichen Wünschen vertraut und hatte es längst aufgegeben, sich darüber Gedanken zu machen. Aber jetzt erfasste er doch flüchtig, daß diese Klientin keineswegs so gelassen war, wie sie sich gab.
»Und
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