Heisses Gold im Silbersee - Duell im Morgengrauen - Schüsse aus der Rosenhecke
ihr aber nur kurz Gesellschaft
geleistet.
Jetzt saßen
die Jungs in Karls Zimmer. Es war halb neun durch und draußen stockfinster.
Sie wollten
bald aufbrechen.
Klößchen
knabberte Schokolade, was diesmal seine Gedanken beflügelte.
„Ich
hab’s“, sagte er plötzlich. „Wenn alle Stricke reißen und wir keinen ehrlichen
Käufer finden, dann wüßte ich trotzdem einen, der Amalies Krempel bezahlt.“
„Krempel?“ entrüstete
sich Karl. „Du beleidigst die Kostbarkeiten. An wen denkst du?“
„Wie hat
Tim vorhin gesagt? Ehrlich muß er sein. Und Geld muß er haben. Beides trifft zu
auf meinen Vater.“
„Hast
recht!“ bestätigte Tim. „Er wäre der beste Aufkäufer, den wir uns wünschen
können. Aber wird er sich für Amalies Antiquitäten erwärmen? Er ist
Schokoladenfabrikant und erzeugt frische Produkte. Antiquitäten sind das
Gegenteil und...“
„...leider
nicht eßbar“, fiel ihm Klößchen ins Wort. „Trotzdem wird er sich erwärmen. Für
seinen Sohn Willi tut Vater fast alles — und ein Herz für Tiere und
Waisenkinder hat er sowieso. Außerdem sucht er, wie ihr wißt, ständig nach
Möglichkeiten, gewisses Überschußgeld wertbeständig anzulegen. Wenn wir ihm den
Verwendungszweck sagen, wird er bestimmt ganz heiß auf den Krempel.“
Karl
seufzte, sagte aber nichts.
„Deine
Idee, Willi, behalten wir im Auge.“ Tim stand auf. „Aber jetzt sollten wir
losbrettern, sonst fängt die Holzwurm-Mafia ihren Nachtdienst ohne uns an —
falls sie anfängt, was ich hoffe. Denn wenn sie heute nacht Ruhetag hat, stehen
wir blöd da.“
Sie
schlichen die Treppe hinunter.
Karls
Eltern befanden sich im Ost-Trakt der weitläufigen Villa und hatten bereits
Gute Nacht gewünscht. Tims und Klößchens Abmeldung beim EvD Lorenzen-Birnbaum
war ohne Schwierigkeiten vonstatten gegangen.
An der
Haustür schnippte Karl mit den Fingern.
„Idee! Wir
schleichen und pirschen, nicht wahr? Müssen wahrscheinlich unbemerkt bleiben.
Also sollten wir mit der Dunkelheit verschmelzen wie...“
Ihm fiel
nicht sofort ein Vergleich ein, und Klößchen half aus.
„...ein
Fettauge mit der Fleischbrühe“, meinte er.
„Na gut.
Zwar sind unsere Windjacken dunkel und die Jeans echt jeansfarben, aber die
Gesichter zu hell.“
„Dann
müssen wir sie berußen“, meinte Klößchen, „mit Ofenruß. Aber ihr habt doch
überall Zentralheizung. Woher nehmen wir...“
„Das wäre
ja albern“, wurde er von Karl gestoppt. „Ich denke nicht an Ruß, sondern an die
Bankräuber-Mützen. Die liegen immer noch im Keller.“
Bankräuber-Mützen
— so hatten sie jene Wollgebilde getauft, die man sich als Kälteschutz oder zum
Zwecke der Unkenntlichkeit über den Kopf zieht. Die Wolle läßt nur Augen und
Nase frei, bedeckt also ziemlich viel vom Gesicht. Deshalb die Beliebtheit
dieser Mützen bei Bankräubern, militärischen Sondereinheiten, Partisanen (freischärlerischen
Heckenschützen), Terroristen, Bergsteigern in der Eisregion und Skiläufern.
Die
TKKG-Jungs hatten die Mützen im Januar benutzt, als sibirische Kälte alle
ungeschützten Ohren bedrohte. Seit Ende der Kälte lagen die Mützen in Karls
Hobbyraum.
Er holte
sie.
Klößchen
roch an allen, bevor er sich für eine entschied.
„Das war
meine.“
„Riecht sie
nach dir?“ fragte Tim.
„Sozusagen
ja, nämlich nach Schokolade.“
Jeder
steckte seine Mütze ein. Dann fuhren sie los. Es war wirklich ungemütlich. In
die Hinter-den-Bögen-Straße flimmerte ein Regen, für den sich der Frühling
schämen mußte.
An eine
Straßenlaterne, die nicht brannte, lehnten sie ihre Stahlrosse. Mit den
Kabelschlössern wurden sie aneinandergekettet.
Sie liefen
an den Einfahrten entlang. Am Duttweiler-Tor zog sich Tim im Klimmzug hoch.
Licht fiel
aus einem Fenster des linken Flachbaus. Er konnte in ein Büro sehen. Al-Tü-Hai
Duttweiler saß hinter dem Schreibtisch, redete und begleitete jedes dritte Wort
mit Gesten.
Aber denen
war nicht viel zu entnehmen. Teils sah es aus, als fange er Fliegen, teils
schien es, er schildere den edlen Wuchs eines Rennpferdes.
Zwei Typen
lauschten ihm. Der eine war Libritschek, kurz Libri genannt. Er trug immer noch
— oder schon wieder — seinen Overall und machte eine entschlossene Miene.
Den zweiten
kannte Tim nicht.
Er war noch
nicht alt, hatte aber eine Mondschein-Glatze. Der Haarkranz im Genick war
langgewachsen und hing auf den Kragen. Das linke Profil (Seitenansicht) zeigte ein schwammiges Bleichgesicht.
Neben
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