Heißes Versprechen
wieder einmal vor die Tür zu treten.«
»Dem kann ich nur beipflichten.«
»Ein Jammer, dass Herr Leggett nicht zugegen war, als wir das Haus verließen«, bemerkte Bernice beiläufig. »Ich hätte ihm vorgeschlagen, uns zu begleiten.«
Madeline blinzelte. »Du hättest es gerne gesehen, wenn Herr Leggett uns begleitet hätte?«
»Neulich, als Herr Hunt und du in Pitneys Labyrinth umhergeirrt seid, hatten wir eine sehr interessante Unterhaltung. Man könnte sagen, wir hätten einander besser kennen gelernt. Er ist ein weit gereister Gentleman.«
»Ach ja? Ist er das?«
»Während des Krieges hat er einige Zeit auf dem Kontinent verbracht. Wusstest du das?«
Madeline war von der Wendung ihres Gesprächs vollkommen überrascht. »Nein, das wusste ich nicht. Was hat er dort gemacht?«
»Er war recht zurückhaltend in seinen Auskünften, doch hatte ich den Eindruck, er habe bei seiner Rückkehr über Napoleons Methode, seine Truppen zu ernähren, Bericht erstattet. Seine Auskünfte waren Wellington eine große Hilfe.«
»Herr Leggett hat sich in geheimdienstlicher Angelegenheit auf dem Kontinent aufgehalten?«
»Nun, ganz so unverblümt hat er es nicht ausgedrückt. Andererseits würde er das ohnehin nicht tun, nicht wahr? Schließlich ist er ein Gentleman, und Gentlemen sprechen über solche Dinge nicht. Er ist wirklich recht charmant, findest du nicht?«
Obwohl Madeline Bernice zeit ihres Lebens kannte, hatte sie noch niemals ein solches Leuchten in den Augen ihrer Tante bemerkt. »Allerdings, ausgesprochen charmant.«
»Und für sein Alter noch recht gut beisammen.«
Madeline grinste. »Reif, aber noch recht beweglich, würdest du es vielleicht so ausdrücken wollen?«
Zu ihrer Überraschung errötete Bernice leicht. Dann lächelte sie verlegen. »Allerdings.«
Die Kutsche hielt an und ersparte Madeline eine weitere Erörterung von Leggetts Charme und anderen vorzüglichen Charaktereigenschaften. Die Tür wurde geöffnet. Zachary geleitete zuerst Bernice und anschließend Madeline aus der Kutsche auf das Trottoir. Sein hageres Gesicht wirkte besorgt. Zögernd begleitete er sie zum Eingang des kleinen Ladens.
»Wir werden uns nicht lange aufhalten«, wandte sich Bernice an ihn. »Sie können hier draußen warten.«
»Sehr wohl, gnädige Frau. Ich bleibe hier, falls Sie mich brauchen.«
Madeline folgte Bernice in die etwas düstere Arzneihandlung der Familie Moss.
Der Laden hatte sich während all der Jahre, die sie ihn kannte, nicht viel verändert. Die exotischen Gerüche von Weihrauch und seltenen Kräutern erinnerten sie an ihre Kindheit. Ihr Vater war bei Moss Stammkunde gewesen, wie das auch bei anderen Gentlemen des Vanza der Fall war. Augusta Moss war eine der wenigen Arzneihändlerinnen, die Kräuter der Insel Vanzagara in ihrem Sortiment führte.
»Frau Reed, Frau Deveridge, wie nett von Ihnen, vorbeizuschauen.« Augusta Moss, kräftig und würdevoll in ihrer fast das ganze Kleid bedeckenden Schürze, trat aus den duftenden Regionen des hinteren Teils des Ladens. »Wie schön, Sie beide hier zu sehen. Es ist lange her, seit Sie das letzte Mal hier waren, nicht wahr?«
»Das stimmt«, pflichtete Bernice ihr fröhlich bei. »Ich brauche unbedingt ein paar ganz bestimmte Kräuter, und da schlug Madeline vor, wir könnten Sie heute Morgen aufsuchen.«
Frau Moss legte den Kopf zur Seite. »Ausgezeichnete Idee. Welche Kräuter benötigen Sie denn?«
»Madeline schläft in letzter Zeit gar nicht gut.«
»Wie bedauerlich.« Frau Moss machte ein schnalzendes Geräusch, das Sympathie und Verständnis ausdrückte. »Fester Schlaf ist für eine gute Gesundheit und starke Nerven unabdingbar.«
»Ganz sicher ist er das.« Bernice freute sich, eines ihrer Lieblingsthemen zu erörtern. »Ich habe ihr meine üblichen Heilmittel verabreicht, doch bin ich damit kläglich gescheitert. Ich wollte es also mit ein paar Kräutern aus Vanzagara versuchen, mit denen ich vor Jahren etwas experimentiert habe. Man verbrennt sie zu einem beruhigenden Rauch, der wiederum einschläfernd wirkt. Haben Sie davon etwas vorrätig?«
»Ich weiß, von welchen Kräutern Sie sprechen. Sie sind recht selten, und ich kann sie nur zwei- oder dreimal im Jahr bekommen. Leider habe ich zurzeit nichts davon auf Lager.«
»Oje«, murmelte Bernice. »Das höre ich mit Bedauern. Es gibt nur sehr wenige Apotheken in der Stadt, die Kräuter aus Vanzagara anbieten. Die anderen haben wir bereits aufgesucht, und keine von ihnen hat seit
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