Heisskalte Glut
Sinnlichkeit, mit der sie auf ihn reagierte, war sie doch
auch ein wenig prüde. Nicht daß sie andere verurteilt hätte, aber bei sich
selbst legte sie offenbar äußerst strenge Maßstäbe an.
Der Grund dafür lag natürlich bei ihren Eltern. So wie Faith
aufgewachsen war, war sie fest entschlossen, selbst niemals genauso zu werden.
Das fand er solange in Ordnung, wie sie sich nicht von ihm
zurückzog. Doch er hatte das unbestimmte Gefühl, daß sie genau das jetzt tun
würde, und hatte nicht die Absicht, sie davonkommen zu lassen.
Denk nicht
daran. Denk nicht an ihn.
Faith wachte aus ihrem unruhigen Schlaf auf.
Ihre Lider waren schwer und fühlten sich so müde an wie zu dem Zeitpunkt, als
sie ins Bett gegangen war. Sie hatte jeden Gedanken an Gray aus ihrem Kopf
verbannt und das unterschwellige Pulsieren ihres Körpers ignoriert. Dann hatte
sie geduscht und jede Spur ihrer Vereinigung weggespült. Aber trotz all ihrer
Willenskraft hatte ihr Unterbewußtes ihr einen Strich durch die Rechnung
gemacht, denn sie hatte von ihm geträumt. Sie war aufgewacht und hatte sich
nach ihm ausgestreckt, am ganzen Körper zitternd vor Erregung.
Vier Jahre lang hatte sie die Bedürfnisse ihres Körpers so
entschieden unterdrückt, daß sie fast nicht mehr vorhanden gewesen waren. Aber
was Gray betraf, besaß sie keinerlei Kontrolle mehr. Am besten, sie gab es ganz
offen zu. Letzte Nacht hatte er alles darangesetzt, sie zu erregen, hatte sie
genommen und sie hinterher beleidigt. Und jetzt verlangte ihr Körper nach mehr. Es schien ihm überhaupt
nichts auszumachen, daß sie wund und steif war, und obwohl Gray ihre Seele mit
verletzenden Worten malträtiert hatte, körperlich begehrte Faith ihn dennoch.
Sie wollte mehr von dieser wilden, vernichtenden Leidenschaft. Sie hatte nicht
gewußt, daß es so sein konnte. Die Entdeckung erschreckte und demütigte sie.
Er hatte sie wie eine Hure behandelt. Lindsey Partain hatte er mit
Geduld und zärtlicher Zuwendung verführt. Faith hatte es selbst gesehen, kannte
also den Unterschied. Er hatte Lindsey französische Liebkosungen zugemurmelt,
sie dagegen lediglich mit vulgären bedacht. Offenbar behandelte er nur diejenigen
rücksichtsvoll, die auf einer gesellschaftlichen Stufe mit ihm standen. Ihre
Seele zog sich vor Scham zusammen, aber ihr Körper sehnte sich bereits nach
einer Fortsetzung ebendieser Behandlung. Vielleicht hatte sie es ja sogar
verdient, daß er so mit ihr umging. Vielleicht hatte ihre Erbmasse all die
Jahre lediglich geschlummert und war nun zu neuem Leben erwacht.
Er konnte nicht die Finger von ihr lassen, das wußte sie
hundertprozentig. Er hatte sie zu einem Wegzug von Prescott überreden wollen,
damit sie zusammen sein konnten. Vielleicht würde sich das Gegenteil aber als
wesentlich effektiver erweisen. Sie würde sich Mühe geben, aber sie konnte ihm
unmöglich ganz aus dem Weg gehen. Gleichzeitig wußte sie nicht, wieviele
Begegnungen mit ihm ihre Selbstachtung überleben würde.
Es galt immer noch herauszufinden, wer Guy umgebracht hatte. Jetzt
allerdings nicht mehr so sehr um ihrer selbst willen als vielmehr für Gray.
Guys Familie verdiente es zu wissen, daß er sie nicht im Stich gelassen hatte.
Sie war nicht bis in das Bootshaus vorgedrungen, das mußte sie noch tun. Sie
mußte Detektiv Ambrose anrufen und ihn fragen, ob er etwas über Mr. Pleasant
herausgefunden hatte. Sie mußte weiter Fragen stellen und den Mörder zum
Handeln zwingen. Wenn er sie angriffe, würde er sich verraten.
17
Das Telefon
machte sie heute wahnsinnig. Faith hätte am liebsten den Stecker
herausgezogen, ermahnte sich aber, daß sie auch noch ein Geschäft zu führen
hatte. Sie hatte keine Extraleitung für das Faxgerät, also mußte das Telefon
angeschaltet bleiben. Sie ließ den Anrufbeantworter an, um die Anrufe zunächst
zu überprüfen, ehe sie abhob. Leider waren die meisten von Gray.
Der Tonfall seiner ersten Nachricht war
einerseits gereizt, andererseits auch beschwichtigend. »Ich wollte dich heute
sehen, aber ich mußte gleich früh am Morgen nach New Orleans fahren. Genau da
bin ich jetzt auch, und es scheint so, daß ich erst spät am Abend zurückkomme.«
Nun, das war gut zu hören. jetzt mußte sie nicht mehr damit rechnen, daß er
jeden Augenblick auf ihrer Veranda stehen würde.
Die Nachricht ging noch weiter, wobei seine Stimme einen tieferen,
intimeren Klang annahm. »Wir müssen reden, Liebling. Soll ich heute abend auf
dem Rückweg noch vorbeikommen?
Weitere Kostenlose Bücher