Heisskalte Glut
worden
war, hatte das Boot gleich daneben gelegen. Was war da einfacher, als ihn zu
der tiefsten Stelle des Sees zu rudern, die Leiche zu beschweren und sie über
Bord zu werfen? Ein solch bequemer Ausweg hatte im Falle von Mr. Pleasant
vielleicht nicht zur Verfügung gestanden. Zunächst einmal war er vermutlich
nicht am See gewesen. Und außerdem befand sich dort kein Boot mehr. Wo also
würde der Mörder die Leiche verschwinden lassen?
Irgendwo, wo sie nicht leicht entdeckt werden
konnte. Es gab viele Wälder in der Gegend, die sich für ein schnelles Begräbnis
eigneten. Dann und wann stießen Jäger auf eine Leiche, die schon seit Monaten,
manche sogar seit Jahren dort gelegen hatten. Aber wenn der Mörder bereits
einmal erfolgreich eine Leiche beseitigt hatte, würde er dann nicht dieselbe
Methode anwenden, um auch die zweite Leiche zu entsorgen? Wenn sie von dieser
Überlegung ausging, dann war der See der Rouillards genau der Ort, an dem sie
suchen mußte.
Alleine konnte sie jedoch hier nichts
ausrichten. Sie traute sich die Lösung fast jeder Aufgabe zu, aber sie war
vernünftig genug zu erkennen, wann sie fremde Hilfe brauchte. Der See würde
abgesucht werden müssen. Dazu brauchte man Boote, Leute, Geräte. Der Sheriff
könnte eine Suche anordnen. Zuvor aber müßte sie ihn davon überzeugen, daß ein
ausreichender Grund dazu vorlag und daß der See der richtige Ort für die Suche
war. Hierzu müßte sie ihm allerdings alles erzählen, was sie über Guy wußte.
Das wiederum konnte sie erst dann tun, wenn sie Gray davon erzählt
hatte. Er durfte es nicht von jemand anderem erfahren, auch der Rest seiner
Familie durfte nicht ohne Vorwarnung in diese Misere hineingezogen werden.
Trotz des beklemmenden Schmerzes und trotz der Tatsache, daß sie sich zu sehr
schämte, um ihm wieder gegenüberzutreten, mußte sie sich dazu überwinden, ihm
von dem Mord an seinem Vater zu erzählen. Sie war sich nicht sicher, ob sie
dazu in der Lage wäre.
Wie bestellt klingelte das Telefon. Faith
schloß die Augen.
»Verdammt noch mal, Faith!« Die unterdrückte Wut war in seiner
Stimme laut und deutlich erkennbar. »Wenn du jetzt nicht den Hörer abnimmst und
mir sagst, daß es dir gut geht, dann werde ich dem Sheriff sagen, er soll mal
bei dir vorbei ...«
Sie riß den Hörer hoch. »Mir geht es gut!« schrie sie und knallte
ihn wieder auf die Gabel. Die Ausdauer dieses Mannes!
Wieder klingelte das Telefon. Er hatte gerade genug Zeit gehabt,
um die Nummer neu zu wählen. »Also gut«, sagte er, als der Anrufbeantworter
sich einschaltete. Er hatte seine Stimme jetzt unter Kontrolle, obwohl seine
Wut immer noch in jedem Wort spürbar war. »Ich hätte nicht sagen sollen, was
ich gesagt habe. Ich war ein Arschloch, und es tut mir leid.«
»Mir tut es auch leid, daß du ein Arschloch bist«, murmelte Faith
in Richtung Telefon.
»Du kannst mich morgen treten oder mir eine
knallen, wie du willst«, fuhr er fort. »Aber glaube nur ja nicht, daß du mir in
alle Ewigkeit ausweichen kannst, weil ich das nicht zulassen werde.«
Er legte auf, und sie betete inständig, daß seine Anrufe jetzt
aufhören würden.
Wieder klingelte das Telefon. Sie stöhnte. Der Anrufbeantworter
schaltete sich ein.
»Ich habe gestern keinen Gummi benutzt«, informierte er sie ruhig.
»Ist mir auch schon aufgefallen«, bemerkte
sie sarkastisch.
»Und ich gehe jede Wette ein, daß du keinerlei Verhütungsmittel
nimmst«, sagte er. »Denk mal darüber nach.« Wieder klickte es, als er auflegte.
»Du Satansbraten!« schrie sie, während ihr Gesicht vor Wut rot
anlief. Denk mal darüber nach! Wie sollte sie jetzt überhaupt noch an irgend
etwas anderes denken können, nachdem er das Thema angeschnitten hatte?
Sie marschierte durch das Haus, wütend auf Gray und wütend auch
auf sich selbst. Es war unentschuldbar. Sie waren keine unverantwortlichen
Teenager mehr, die sich von Hormonen anstatt ihrer Vernunft leiten ließen. Doch
genau so hatten sie sich benommen. Wie konnten sie nur so unvernünftig gewesen
sein? Sie hätte schon vorher an die Möglichkeit einer Schwangerschaft denken
sollen, aber sie war so verwirrt gewesen, daß sie überhaupt keinen Gedanken
daran verschwendet hatte.
Nun aber übermannte sie die Sorge. Als ob sie nicht auch so schon
genug Dinge hätte, um die sie sich kümmern mußte!
Sie geriet in eine solche Panik, daß es eine halbe Stunde dauerte,
ehe sie sich einen Kalender vornahm und die Tage zählte. Als sie damit
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